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Vierbeinige Freunde

Vierbeinige Freunde

Titel: Vierbeinige Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wera Tschaplina
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der sich wie bei sämtlichen Walrossen nach allen Richtungen hin sträubte, war hart wie Borsten. Dieser Schnurrbart und die runden, feuchten Augen gaben ihr ein besonders drolliges Aussehen – dumm und vornehm zugleich. Doch das schien nur so, in Wirklichkeit war Njurka sehr klug.
    In den Zoologischen Garten war sie von der Wrangel-Insel gekommen. Den schwierigen, langen Weg mußte sie zu Schiff und auf der Bahn in einer engen Kiste ohne Wasser zurücklegen. Sie kam ausgehungert und ausgemergelt und mit großen, offenen Wunden im Rücken und an den Seiten bei uns an. Die Pflege hatte ich übernommen. Ich wusch ihr die Wunden aus, reinigte ihren Käfig und fütterte sie. Ihr Futter bestand aus Fischen. Ich gab ihr die Fische sauber geputzt, ohne Gräten und ganz fein geschnitten. Anders ging es nicht, denn Njurka war doch ein ganz kleines Kind, ein richtiges Brustkind, wenn auch ein Walroßkind. Sie konnte ja noch nicht einmal selbständig fressen. Sie nahm mir das Futter stückchenweise aus der Hand, sog jedes einzelne Stück zugleich mit der Luft ein, so daß es stets einen Ton wie das Knallen eines Korkes gab. Den Tag über brauchte sie vier bis fünf Kilo Fisch, manchmal auch etwas mehr. Außerdem bekam sie ein Glas Lebertran.
    Njurka hatte sich schnell an mich gewöhnt, wahrscheinlich weil ich sie pflegte und fütterte. Sie erkannte mich schon von weitem, begrüßte mich mit einem dumpfen, abgerissenen Laut, ähnlich dem Gebell eines Hundes, und eilte, schwerfällig auf ihren Flossen von Seite zu Seite watschelnd, mir entgegen.
    Das kleine Walroß war sehr findig. Nicht jeder Hund hat soviel Verstand. Zum Beispiel gefiel es Njurka nicht, wenn ich den Käfig wieder verlassen wollte; sie mochte nicht allein bleiben. Ich brauchte mich bloß der Tür zuzuwenden, schon war Njurka dort, legte sich vor den Ausgang, schrie böse, tobte und ließ mich nicht hinaus. Manchmal wurde ich ernstlich böse: Ich hatte es eilig, hatte keine Zeit, sie aber gestattete nicht, daß die Tür geöffnet wurde. Ich war genötigt, zur List zu greifen.
    Ich nahm das Futter, brachte es in den entlegensten Winkel des Käfigs, und während Njurka fraß, flüchtete ich aus dem Käfig. Doch diese List hielt nicht lange vor. Njurka hatte sie bald durchschaut. Schon nach einigen Tagen warf sie sich, sowie ich eine Bewegung machte, in das Bassin und hatte dieses natürlich schneller durchschwommen, als ich es umlaufen hatte. Sie lehnte sich mit ihrem ganzen Körper gegen die Tür und nahm mir so die Möglichkeit, diese zu öffnen. Versucht doch einmal, so eine Dicke wegzuschieben, wenn sie dreieinhalb Zentner wiegt! Für gewöhnlich hielt mich Njurka so lange gelangen, bis ich genügend mit ihr gespielt hatte. Aber das ist leicht gesagt: „Genug mit ihr gespielt“, spielte sie doch auf ihre eigene Art, auf Walroßart. Bald lud sie mich ein, mit ihr ins Wasser zu gehen, bald versuchte sie, mich mit ihrer Nase hineinzustoßen. Sie wollte nicht allein ins Wasser. Das Bassin war klein und unbequem, und es war ja auch langweilig, so allein.
    Den größten Teil des Tages lag Njurka am Ufer und schlief. Um ihr mehr Bewegung zu verschaffen, versuchte ich, sie auszuführen. Das war aber gar nicht so einfach, wie es zu Anfang schien. Njurka wollte absolut nicht aus dem Käfig heraus. Ich öffnete die Tür, ging hinaus und lockte. Njurka schrie ungeduldig und steckte den Kopf zur Tür hinaus, konnte sich aber nicht entschließen, die Schwelle zu überschreiten. Ich mußte sie erst nach und nach daran gewöhnen. Ich lockte sie mit Fisch, für jeden Schritt, den sie machte, bekam sie ein Stückchen davon. So legten wir Schritt für Schritt immer größere Strecken Weges zurück. Ein solcher Spaziergang dauerte nie lange. Der Sand scheuerte Njurka die Flossen auf, und überhaupt war langes Gehen für sie sehr beschwerlich. Dennoch liebte sie die Spaziergänge.
     

    Wir machten unsere Spaziergänge immer abends, wenn die letzten Besucher den Garten verlassen hatten und die Trillerpfeifen der Wächter ankündigten, daß der Park geschlossen war. Dieses Pfeifen wurde für Njurka zum Signal; sowie sie es hörte, schaute sie nach mir aus, stürzte mir entgegen und half mir die Tür öffnen. Ich nahm das Schloß ab, und sie stieß sie mit ihrer Nase auf. Sie lernte auch die Klinke aufmachen. Solange ich den Käfig sauber machte, jagte ich Njurka hinaus, damit sie mir nicht im Wege war. Njurka gefiel das nicht, sie schrie und versuchte, wieder in den Käfig zu

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