Vierbeinige Freunde
stets die „Dolmetscherin“ unseres Filmstars. Der Regisseur sagte mir, was der Wolf „spielen“ sollte, und ich überlegte dann, wie das zu bewerkstelligen wäre. Das erforderte keine besondere Anstrengung, denn ich kannte ja den Charakter Argos genau. Einmal jedoch, bei der Aufnahme zu dem Film „Eine solche Frau“, hätte das Spiel ein schlimmes Ende nehmen können.
Es sollte der Kampf einer Frau mit einem Wolf dargestellt werden. Das war an und für sich ein leichtes: Argo spielte gern mit mir, beim Spielen stürzte er sich oft auf mich und tat, als wollte er mich beißen. Ich brauchte ihn also bloß zum Spielen herauszufordern.
Wir kamen zur Aufnahme. Der Regisseur, der noch nie mit wilden Tieren zu tun gehabt hatte, glaubte, einen Wolf warten lassen zu können, und beschäftigte sich daher erst mit anderen Dingen. Argo wartete. Die Uhr ging auf drei, das war die Zeit, zu der Argo für gewöhnlich seine Portion Fleisch bekam. Hungrig, wie er war, wurde er ständig unruhiger; bald legte er sich hin, bald stand er wieder auf. Als ich das bemerkte, verlangte ich, daß die Aufnahme unverzüglich gemacht werden sollte.
Endlich war es soweit. Ich wurde geschminkt und in einen Fahrpelz gesteckt. Gegen den Pelz protestierte ich, er roch sehr nach Schaf, was für einen hungrigen Wolf eine große Versuchung ist. Doch es war schwierig, die anderen davon zu überzeugen, auch war keine Zeit dafür. Ich ging also auf den unruhigen Wolf zu. Blitzschnell stürzte sich dieser auf mich und verbiß sich mit der ganzen Kraft seiner stahlharten Kiefer in den Fahrpelz. Seine Augen glühten bösartig, sein Fell stand hochgesträubt. Viele Male mußte ich möglichst ruhig seinen Namen wiederholen, bis endlich die bekannte Stimme das Bewußtsein des Wolfes erreichte. Langsam, mit sichtlicher Anstrengung, lockerte Argo den Biß seiner Zähne und blickte mir lange und aufmerksam ins Gesicht. Und als er mich dann erkannt hatte, legte er schuldbewußt die Ohren zurück und schüttelte sich. Das gesträubte Fell glättete sich, und es war kaum zu glauben, daß er noch vor einer Minute als wütendes, reißendes Tier vor mir gestanden hatte.
Argo wirkte noch in vielen verschiedenen Filmen mit: „Jagd mit Fähnchen“, „Die Herrschaften Skotinin“, „Der Lebenskampf“. Heute ist Argo alt, seine Zähne sind stumpf, die riesigen Reißzähne sind ausgefallen. Junge Wölfe sind bereit, seinen Platz einzunehmen, und doch hat der Zoo keinen schöneren Wolf als Argo, Argo – den Filmstar.
ZÖGLINGE DES ZOO
DER KONDOR
In der gleichen Reihe wie die Adler sitzt im Tiergarten ein riesiger schwarzer Kondor. Er wird Kusja genannt.
Wie alt Kusja ist, weiß niemand genau. Doch der Wärter Nikita sagt, der Kondor wäre bereits im Tiergarten gewesen, als er dort vor sechsundfünfzig Jahren zu arbeiten begann. Nikita pflegte auch damals schon die Raubvögel.
Anfangs war Kusja sehr scheu. Wenn Nikita erschien, griff der Kondor ihn drohend an und versuchte, ihn mit seinem starken, hakenförmigen Schnabel zu schlagen. Dies geschah aber nur in der ersten Zeit. Bald stellte Kusja seine Überfälle ein, ja, er faßte Zuneigung zu seinem Wärter. Sobald er Nikita von weitem erblickte, flog er von seiner Stange herab ihm entgegen. Und ging der Wärter an ihm vorüber, streckte er drollig seinen Hals vor und blickte Nikita nach.
Damals gab es im Tiergarten nur wenige warme Räume. Im Winter konnte man die Vögel nirgends unterbringen, und viele gingen zugrunde. Aber Nikita fand einen Ausweg für seinen Liebling.
Sobald die ersten Fröste einsetzten, brachte er den Kondor auf dem Dachboden seines Hauses unter. Wenn es wärmer wurde, übersiedelte Kusja wieder in seinen Käfig.
Kusja hauste jahrelang allein, dann jedoch wurde ihm ein Weibchen zugesellt. Anfangs beachtete der Kondor es überhaupt nicht.
Da setzte der Frühling ein. Auf den Wegen des Tiergartens rieselten kleine Bäche. Die Adler blickten in den grellen Frühlingshimmel und fingen an zu schreien; auch der Kondor änderte sein Benehmen.
Jetzt hielt sich Kusja nicht mehr abseits, sondern folgte überallhin der Kusicha, wie Nikita der Einfachheit wegen das Weibchen nannte. Dabei breitete er seinen Schweif wie einen Fächer aus und stolzierte vor seiner Gefährtin umher.
Eines Tages hatte der Wärter die Tür des Käfigs offengelassen, und Kusja ging hinaus. Nikita bekam einen Riesenschreck. Er dachte, der Kondor würde davonfliegen …
Dies geschah aber
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