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Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Titel: Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: János Kertész
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gekleidet, hat eine ausgewählte, intellektuelle Sprache, nur seine
Zahnreihe ist lückenhaft. Er erzählt, daß er in die Stadt gekommen sei, um ein
Zelt zu kaufen. Es muß ein Igluzelt sein, in dem man auch sitzen kann. Frühjahr
und Sommer will er heuer in den Wäldern verbringen, und zwar aus einem ganz
bestimmten Grund. Er hat einen sehr alten Hund, der bald sterben wird, und er
hat den Wunsch, dieses Tier, wenn es so weit ist, ordentlich zu begraben. Hier
in der Stadt ist es nicht erlaubt und auch nicht möglich, seinen armen Freund,
wie es sich gehört, unter die Erde zu bringen. Im Wald ist es zwar auch nicht
erlaubt, aber dort braucht er keinen Menschen nach Erlaubnis zu fragen. Seine
Tränen rollen, als er dies erzählt; er verabschiedet sich abrupt, wünscht mir gute
Reise und entfernt sich rasch in Richtung der Innenstadt.
    Die ersten Kilometer aus der Stadt
hinaus fuhren durch häßliche Industrieanlagen und so bin ich angenehm
überrascht, als für mich unerwartet plötzlich eine schöne Barockkirche vor mir
steht. Es ist die einstige Abteikirche Weißenau. Ich muß zur meiner Schande
gestehen, daß ich von diesem Bauwerk bis jetzt rein gar nichts gewußt habe. Um
so größer ist meine Freude, wieder etwas Neues dazuzulernen. Die Räume der
ehemaligen Klosteranlage werden heute von einem psychiatrischen Krankenhaus
genutzt und ich mache mir Gedanken darüber, warum viele einstige Klöster
ausgerechnet als Schule oder als Psychiatrie Verwendung finden.
    Obwohl es aufgehört hat zu regnen, habe
ich weiterhin mit dem Wetter zu kämpfen. Der kalte, stürmische Südwestwind hat
sich verstärkt, ich komme nur mit großer Anstrengung dagegen an. Bis Oberzell
verläuft mein Weg zwischen Landstraße und Bahndamm nicht gerade malerisch, aber
dann geht es in einen Wald hinein, in dem der Wind mir nichts mehr anhaben
kann.
    Aus dem Wald heraus komme ich auf ein
hügeliges liebliches Hochland mit vielen kleinen Ansiedlungen. Die weiten
Apfelbaumfelder, die hier das Bild der Landschaft bestimmen, stehen kurz vor
der Blüte. Auch die Häuser sind mit Apfelbäumen umgeben. Noch zwei oder drei
solche warmen Tage wie gestern, und hier wird alles in weißer Blütenpracht
erstrahlen.
    Nach Adelsreute, auf einer Anhöhe
angekommen, erblicke ich zum ersten Mal die Alpen. Nur für kurze Zeit zeigen
sich in der Feme unter dahinrasenden, pechschwarzen Regenwolken einige
majestätische schneebedeckte Berge. Es fängt wieder zu regnen an, erst nur ein
bißchen, aber dann immer stärker. Der hier wieder heftig wehende Wind treibt
mir das Regenwasser ins Gesicht und ich würde spätestens in Oberteuringen, fünf
Kilometer vor meinem Tagesziel, schwach werden und in einen Bus steigen, wenn
es einen gäbe. Es gibt aber keinen. Ich muß auch den Rest des Weges selbst
zurücklegen und komme in Markdorf naß, müde, aber sonst gesund und munter an.
Es waren immerhin sechsundzwanzig Kilometer, davon die Hälfte in Regen und
Sturm.
     
     

Donnerstag, am 20. März
Von Markdorf nach Konstanz
    Ist das wieder ein Sündenbüßerwetter! Es stürmt und gießt! Während ich frühstücke,
kommt eine Frau in die Gaststube und erzählt, daß sie eben durch einen
Schneesturm gefahren ist! Ich kann mir das Wetter aber nicht aussuchen, also
raus in das Vergnügen!
    Als ich auf die Straße hinaustrete,
hört es auf zu regnen, der Wind wird schwächer, der Himmel freundlicher. Ich
könnte in die Sünde der Hoffart fallen und glauben, daß meine Pilgerei Gott
gefällt und er für mich den Himmelshahn zugedreht habe.
    Der kleine Wald Gehau ist ein
Schmuckstück mit vielen heimischen Baumarten, wie Esche, Erle, Fichte, Kiefer;
sogar Steineichen und andere seltene Bäume sind hier zu sehen. Entlang eines
Waldlehrpfades sind die Bäume beschriftet. An einer Ecke dieses Waldes, wo ein
Parkplatz angelegt ist, kann man etwas weniger erfreuliches betrachten.
Lehrreich ist es dennoch. Damit der Müll der Besucher nicht in dem Wald landet,
hat man hier Müllbehälter installiert, aber nicht einen oder zwei, sondern
gleich vier davon: blau für Papier, grün für Flaschen, gelb für Blech und
Kunststoff, schwarz für den Rest. Wehe, wenn du die Bananenschale in die falsche
Tonne wirfst! Schade nur, daß diese Tonnen offensichtlich nie geleert werden.
So quellen sie über und die Umgebung ist von verstreutem Unrat bedeckt.
    Diese unbedeutende Müllsammelstelle
kann unsere gesamte ach so fortschrittliche Müllpolitik symbolisieren. Die
Bürger werden nicht etwa

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