Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt
dieses Dachüberstandes ist bogenförmig abgeschalt, was der
Giebelwand ein barockähnliches Aussehen verleiht. Das „Gasthaus zum Bären“ in
Trubschach ist ein besonders schönes Beispiel für diesen Baustil.
Fassadenmalerei und ein Bär, der auf einem über dem Eingang auskragenden Balken
steht, betonen den repräsentativen Charakter des Hauses.
Die Jugendherberge in Langnau ist ein
altes hölzernes ehemaliges Bauernhaus; die Einrichtung ist sehr einfach, aber
es gibt eine Dusche mit besonders starkem Wasserstrahl, womit ich meine
lädierten Knie massieren kann.
Dienstag, am 1. April
Von Langnau nach Bern
Morgen bin ich mit meinem Freund Manfred in Bern verabredet. Er macht in der Nähe mit
seiner Familie Osterurlaub und will mich am morgigen Mittwoch besuchen. Bis
Bern habe ich noch fünfunddreißig Kilometer zu laufen.
Der Himmel ist wolkenlos, die
hochsteigende Sonne wärmt von Minute zu Minute mehr, aber im Schatten sind die
Zweige und Gräser mit dickem Rauhreif bedeckt. Ich muß mir einen Schal umlegen,
weil ich im Nacken, wo der Rucksack einen Schatten wirft, friere.
Auf einer schmalen Asphaltpiste komme
ich schnell nach Emmenmatt. Damit bin ich in dem von der berühmten Käsesorte
bekannten Emmental angekommen. Auch hier begegne ich auf Schritt und Tritt den
Hofhunden. Wie ich schon gestern sagte, die Hunde sind, wenn sie ohne Besitzer
kommen, kein Problem. Schwierig wird es erst, wenn Frauchen oder Herrchen in
der Nähe ist: Dann fühlen sich diese servilen Kreaturen offensichtlich
verpflichtet, das Chappi zu verdienen. Dann sind die Hundebesitzer als
Leitfiguren gefragt. Ich bleibe in diesen Fällen stehen und warte, daß sie den
Köter zurückrufen.
So wie jetzt. Ich stehe vor einem Hof,
der Hund attackiert mich wild. Der Bauer schaut zu und ruft mit solch sanfter
Stimme seinen Hund zurück, daß ich den Eindruck gewinne, er freue sich darüber,
daß sein Hund mich am Weiterlaufen hindert.
Hunde sind nicht dumm. Auch dieser hier
überschaut die Situation und reagiert auf den milden Tadel mit noch
hysterischerem Kläffen. Mir reicht’s. Ich herrsche den Hund laut an. Das ist
der Augenblick, in dem der Mann endlich aktiv wird:
„Was machen Sie denn da?! Hören Sie
sofort auf, meinen Hund zu beschimpfen! Und stecken Sie sofort ihre Stöcke weg!
Der arme Hund wird davon ganz verrückt! Kein Wunder, wenn Sie von ihm
angegriffen werden!“
Ich bleibe ihm mit der Antwort nichts
schuldig:
„Soll ich mich vielleicht in Luft auflösen,
damit ihr Köter einen ruhigen Tag hat? Das hier ist ein öffentlicher markierter
Wanderweg, ich kann hier herumlaufen, wie ich will! Es ist Ihre Aufgabe, Sorge
dafür zu tragen, daß der Hund mich nicht beißen kann!“
Daraufhin behauptet dieser Mensch, daß
die Straße hier eine Anliegerstraße wäre, und damit nicht öffentlich. Die
Wanderwegmarkierung tue nichts zur Sache: Hier kann sein Hund beißen, wen er
will!
Moral: Wenn man in einer Diskussion
über Hunde eine Einigung erzielen möchte, dann soll man direkt mit den Hunden
diskutieren. Mit den Hundebesitzern ist jede Diskussion aussichtslos.
Bis Zäziwil drei Kilometer Landstraße,
danach weitere vier Kilometer auf hübschen Wiesenwegen nach Konolfingen. Meine
Knie und die Bißwunde schmerzen immer mehr. Ob ich noch ein bißchen weiter
laufe oder nicht, bis Bern schaffe ich es heute nicht mehr. Um meine
Verabredung mit Manfred wahrnehmen zu können, nehme ich in Konolfingen für den
restlichen Kilometern den nächsten Zug.
Bern überfällt mich mit großstädtischer
Hektik, worauf ich nicht vorbereitet bin. Ich laufe vom Bahnhof schnurstracks
zu der nahen Jugendherberge, sie liegt unterhalb des Bundeshauses im Tal. Ich
bekomme ein schönes Zimmer, dusche, wasche meine Sachen und fühle mich wieder
recht gut. Eine kleine Runde in der Stadt vor dem Abendessen soll den Tag
abrunden.
Die in einer hochgelegenen Flußschleife
der Aare liegende Altstadt hat ihren mittelalterlichen Charakter gut erhalten.
Die repräsentative, breite Hauptstraße, die beidseitig mit Laubengängen gesäumt
ist, hat interessanterweise nach jeder Straßenkreuzung einen anderen Name:
Gerechtigkeitsgasse, Kramgasse, Marktgasse, Spitalgasse. Die beredten alten
Straßennamen zeugen von der mittelalterlichen Urbanität der Stadt.
Bern ist die Stadt der Brunnen. An dem
genannten Straßenzug stehen allein sieben alte Prachtbrunnen, alle zwischen
1530 und 1550 im Renaissance-Stil erbaut. Sie stehen in der Achse der Straße
bis
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