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Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Titel: Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: János Kertész
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auch schaffen, wieder
zurückzugehen.
    Gesagt, getan. Zurück und aufwärts geht
es sogar leichter als abwärts, ich bin also diesem Durcheinander entronnen,
aber wie ich über dieses Tal komme, weiß ich noch immer nicht.
    Ich lege meinen Rucksack ab und mache
ohne Last links und rechts von dieser Stelle Erkundungsklettereien. Ja, dort
rechts, da gibt es zwischen den jungen Bäumen einige Büsche und Wurzeln, an
denen ich mich beim Hinuntersteigen festhalten könnte. Ich kann es nur dort
versuchen. Ich nehme wieder den Rucksack. Ins Rutschen kommen darf ich nicht,
dann gibt es bis unten kein Halten mehr, und das sind noch gut zwanzig
Höhenmeter.
    Ich habe es geschafft. Mittendrin
dachte ich: „Bist du denn wahnsinnig?! Bist du fast tausend Kilometer gelaufen,
um dir hier den Hals zu brechen?“
    An der anderen Talseite steigt eine
zick-zack-förmige Treppe in die Höhe, ich bin wieder auf einer friedlichen
Wiese und dahinter bald in Tällenmoos. Ich schaue auf die Uhr: Von wegen 25 Minuten!
Ich habe für dieses kurze Stück über eine Stunde gebraucht!
    Der sanfte Weg läuft an mehreren
Einzelhöfen vorbei, die von wild bellenden Hunden bewacht werden. Sie fangen
schon zu kläffen an, wenn ich noch zwei-dreihundert Meter weit weg bin, laufen
mir entgegen, aber sie kommen nicht näher als einen Steinwurf entfernt. Indem
ich vorwärts schreite, ziehen sie sich in den Hof zurück, und wenn ich sie
passiert habe, folgen sie mir in respektvoller Entfernung wieder etwa
zweihundert Meter weit. Dann ist die Hundearbeit getan, und nach einigem
Abschiedskläffen laufen sie nach Hause zurück. Dieses Ritual wiederholt sich
seit Tagen.
    Am Eingang von Escholzmatt steht auch
so ein Haus mit einem bellenden Hund, aber da sind auch die Besitzer, eine Frau
mit zwei Töchtern. Sie sind dabei, den Einkauf aus dem Kofferraum eines Wagens
auszupacken. Der Hund ist relativ klein, aber giftig, der hält den oben
beschriebenen Abstand nicht. Ich bleibe stehen und warte, bis sie ihren Hund
zurückrufen, was sie auch umgehend tun. Ich laufe vorbei, wir grüßen uns
freundlich. Da schleicht sich dieses Aas hinter mir her, und beißt mir in meine
linke Wade!
    Ich weiß nicht, wer von den Anwesenden
am meisten erschrocken ist. Ich bin noch nie in meinem Leben von einem Hund
gebissen worden, und so ist mein Schmerz zwar groß, aber noch größer ist meine
Überraschung über diese Untat. Der hat mir tatsächlich durch das Hosenbein ein
blutiges Loch in das Fleisch gebissen! Eines der Mädchen fängt zu weinen an,
die Frau ist sehr besorgt und behauptet, daß der Hund noch nie, noch nie
jemanden gebissen habe. Ich neige dazu, es zu glauben; obwohl, welcher
Hundebesitzer würde in derselben Situation zugeben, daß sein Hund ein Beißer
ist? Ich frage noch, ob der Hund geimpft ist, und als die Frau es fast
beschwört, will ich keine Zeit mehr verlieren, und obwohl mein Bein schmerzt,
laufe ich weiter.
    In Escholzmatt besteht wieder die
Möglichkeit, entweder auf der Landstraße weiter zu laufen oder aber den
Schwändelberg zu erklimmen, wo auf dem Gipfel in über tausend Meter Höhe eine
der heiligen Anna geweihte Wallfartskapelle steht. Vom Dorf windet sich ein
sehr steiler Kalvarienweg hinauf. Es ist ein tiefer Hohlweg, der zeigt, daß
hier im Lauf der Jahrhunderte abertausende Pilger Seelenheil gesucht und vielleicht
auch gefunden haben.
    Von oben bietet sich eine großartige
Rundsicht sowohl ins Tal, aus dem ich hochgestiegen bin, als auch nach Norden,
wohin der Hang steil hinabfällt. Das zwischen vier uralten Buchen stehende
Kirchlein ist ein Schmuckstück. Im 17. Jahrhundert erbaut, besitzt es eine
interessante schönbemalte Holzdecke, die mit sieben Knickflächen ein
Tonnengewölbe nachahmt. Der Barockaltar mit St.-Anna-Selbdritt ist ein naives,
aber an diesem abgelegenen Ort unerwartet aufwendig gestaltetes, sehr schönes
Kunstwerk.
    Der weiterführende liebliche Höhenweg
mündet in einen sehr steilen Fußpfad, der bei Wiggen ins Tal zurückkehrt. Mein
Knie erträgt solche Anstrengungen nur schwer, ich muß des öfteren
stehenbleiben, bis die Schmerzen nachlassen.
    Von Wiggen bis Trubschachen gibt es nur
eine Landstraße, die in dem engen Tal in Eintracht mit der Bahnlinie nach
Westen läuft. In Trubschachen stehen einige sehr schöne alte Häuser, die die
für diese Gegend typische Gestaltung der Giebelseite zeigen. Die Bauten sind
mit riesigen Krüppelwalmdächern gedeckt, die am Giebel breite Überstände haben.
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