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Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt

Titel: Viermillionen Schritte bis zum Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: János Kertész
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daß der Autor des Textes nicht Papst Calixtus II., sondern ein
Franzose, vermutlich der Geistliche Aimery Picaud aus dem Poitou, gewesen ist.
    Ich lasse Navarra auf mich zukommen!
    Hinter dem Fluß la Saison, den ich auf
einer ehemaligen Eisenbahnbrücke überquere, komme ich zu dem ersten baskischen
Dorf auf dem Weg, nach Lichos. Die Schweinestallungen am Dorfanfang verbreiten
einen penetranten Gestank, aber das Dorf dahinter ist recht hübsch.
    Es ist erst zehn Uhr; wenn ich so
weiterlaufe, bin ich in einer Stunde am Tagesziel. Es ist Zeit zu schlafen. Ich
suche eine Liegewiese am Rand eines Maisfeldes. Die himmlische Ruhe wird nur
von dem Bauern gestört, der ausgerechnet heute, am Samstag, Kunstdünger
ausbringt und auf seinen langen Fahrtwegen mit dem Trecker etwa
viertelstündlich an mir vorbeifährt.
    Als ich weiterlaufe, ist es wieder sehr
heiß, aber der Restweg ist kurz. Aroue ist auch eines dieser Dörfer, die gar
keine sind: Eine kleine Kirche, einige wenige Pläuser am Straßenrand, eine
Tankstelle, wo man auch Tabak und Getränke feilbietet. Die Tankstelle wird von
Mme Lagarde betrieben; sie ist auch die Herrin der Herberge. Sie gibt mir
erstens kaltes Mentholwasser zu trinken, zweitens den Schlüssel zu der
Herberge.
    Der Herberge ist eine Doppelgarage mit
Kochgelegenheit. Fünf Pritschen, ein Tisch, einige wackelige Stühle, das ist
alles. Eine Dusche und ein WC ist hinten angebaut. Trotz dieser Kargheit ist
Kritik hier nicht angebracht. Ohne diese einfachen Herbergen wäre meine
Pilgerreise in der dünnbesiedelten Gegend nur mit eigenem Zelt zu bewältigen.
Richtige Gasthäuser oder gar Hotels könnten von den wenigen Fremden, die sich
hierher verirren, nicht existieren. Die gîtes sind die einzigen Einrichtungen, die durch das
Zusatzgeschäft mit der Bewirtung sich gerade noch tragen lassen.
    Die Berge sind heute deutlich näher
gekommen. Südöstlich von uns sind die Felsentürme wild gezackt und
schneebedeckt. Gut, daß wir sie nicht dort, sondern weiter westlich
hinübersteigen werden. Dort sind sie flacher, kein Fels, kein Schnee.
     
     

Sonntag, am 8. Juni
Von Aroue nach Ostabat
    Nach dem Hof Letchaureguy biegtder markierte Wanderweg hakenförmig nach rechts und
verschwindet in einem schmalen, tunnellartig zugewachsenen, leidlich
ausgetrockneten Bachlauf. Wie die Klugköpfe, die diese Markierung durchführten,
auf den Gedanken gekommen sind, die Wanderer hier durchkriechen zu lassen,
bleibt deren Geheimnis. Ich laufe auf der schmalen, schrägen Böschung und,
obwohl ich mich auf meine Stöcke stützen kann, rutsche ich aus und, nach fast
zweitausend Kilometern falle ich zum ersten Mal hin. Meine Hose ist mit Schlamm
beschmiert, mein linker Ellbogen aufgeschlagen. Ich säubere die Wunde mit
Trinkwasser aus der Feldflasche.
    Nur zweihundert Meter weiter ist der
Hohlweg infolge der vergangenen Regenfälle überflutet, ein Weiterkommen ist
hier nicht möglich. Ausweichen auf die Maisfelder kann ich auch nicht, da links
und rechts dichte Brombeerbüsche den Weg begrenzen.
    Ich schaue auf die Karte: Zurückkehren
würde einen großen Umweg mit sich bringen.
    Also nochmals: Irgendwo muß hier doch
ein Notausgang zu finden sein. Und wahrhaftig, nach einiger Zeit entdecke ich
sowas wie eine Spur durch das Brombeerdickicht. Es ist mit Stacheldraht quer
abgesperrt, aber das kann jetzt auch kein Hindernis sein.
    Gut. Jetzt laufe ich an einem Maisfeld
paralelle mit dem Schlammweg und hoffe, daß ich irgendwo wieder dorthin
zurückkehren kann.
    Das ist nach etwa dreihundert Metern
auch der Fall. Wieder ist der Zaun überwunden, es kann weitergehen. Oder nicht?
    Der Feldweg passiert ein Bauernhaus. An
dieser Stelle ist er auf einer kurzen Distanz dreimal hintereinander quer
gesperrt: einmal mit einem elektrischen Weidezaun, danach zweimal mit
Drahtverhau. Dahinter geht die Markierung, wie ich sehen kann, weiter. Zwischen
den Hindernissen bellen zwei lebhafte Hunde.
    Erst versuche ich, die Hunde zu ärgern,
damit der Bauer herauskommt und mir den Weg freimacht, aber es ist Sonntag und
ziemlich früh, keiner will sich zeigen.
    Also gut, selbst ist der Mann: Die
Drahtzäune sind mit Bindfaden festgebunden; bei dem ersten kann ich den Knoten
lösen, bei dem zweiten muß das Messer behilflich sein. Die elektrische Sperre
läßt sich nicht aushängen und als ich den Draht vorsichtig hochhebe, um
darunter durchzukriechen, kriege ich einen gewischt. Jetzt reicht’s! Ich
durchtrenne die Sperre und der Weg ist

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