Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Blechmesser gibt, solche, mit denen man zwar faseriges Putenschnitzel schneiden, sich aber nicht erstechen kann.
Strauss hält mir eine Tür auf, den Kopf hat er gesenkt. Vielleicht fühlt er sich ja wenigstens schuldig. Ohne es wirklich zu wollen, trete ich in einen kleinen, staubigen Raum, in dem auf einem Metallwagen ein mattschwarzer Klotz von Fernseher steht.
„Nehmen Sie bitte Platz, Frau Pander. Ich schaue mal, ob ich das hier zum Laufen kriege.”
Ich setze mich auf einen der braunen Klappstühle und Strauss macht sich an einem ebenfalls klotzigen, allerdings silberfarbenen Videorecorder zu schaffen. Meine Eltern hatten früher auch so ein Ding, Anfang der Neunziger.
„Ich bin ein bisschen altmodisch”, sagt Strauss, während er sich zu dem enormen Gerät beugt. „Ich weiß, dass so etwas mittlerweile digital gemacht wird. Aber hiermit kenne ich mich eben aus.”
Doktor Arschloch schiebt eine unbeschriftete Videokassette in das Gerät. Es ist Jahre her, dass ich jemanden eine Videokassette habe abspielen sehen. Er drückt ein paar Knöpfe und auf dem Fernseher erscheint der Oberkörper eines alten Mannes. Der Mann sitzt in einem Rollstuhl, den jemand an einen Tisch geschoben hat. Er schaut nicht direkt in die Kamera, er schaut rechts daran vorbei. Wüsste ich nicht, dass dieser Mann Georg Schlechter ist, ich würde ihn nicht erkennen.
Die Show geht los. Eine ruhige, väterliche Stimme macht den Anfang, es ist die Stimme von Doktor Strauss. Doktor „Das Arschloch” Strauss. Ich bin immer noch wütend auf den Kerl!
„Würden Sie mir bitte sagen, wann Sie zum ersten Mal eine Begegnung mit diesem Wesen hatten”, sagt die Stimme aus dem Fernseher.
Schlechter zögert, sein Blick wandert zwischen Kamera und Tischplatte. Ich habe den Eindruck, dass ihm die Situation unangenehm ist … unangenehm war. Offensichtlich war es ihm nicht geheuer, aufgenommen zu werden. Dann antwortet er doch.
„Einige Wochen nach meinem Einzug in diese Wohnung. Drei Wochen … also zuerst habe ich eben diese große Gestalt gesehen.”
„Wie würden Sie diese Gestalt beschreiben?”
„Groß, dunkel. Ein Affe.”
„Ein Affe?”
„Ja, ein aufrecht stehender Affe?”
„Könnten Sie bitte die erste Begegnung mit diesem Affen schildern?”
„Ja … also es war gegen acht Uhr Abends, ich sitze beim Abendessen. Und ich habe den Eindruck, dass sich im Flur etwas bewegt. Und da gehe ich nachsehen und gehe bis ganz zum Ende des Flurs, also bis zur Wohnungstür. Und als ich mich umdrehe, weil ich ja zurück zum Tisch in die Küche will, da steht im Türrahmen dieses große Tier, als ob das mir den Weg versperrt. Ich habe eigentlich nur die Umrisse gesehen. Aber im nächsten Moment, da ist es auch schon weg. Ich habe dann gedacht: Jetzt wirst du alt, jetzt geht das Hirn nicht mehr richtig.
„Haben Sie dieses Tier mehrmals gesehen?”
„Ja, mehrmals. Aber immer so, dass ich gedacht habe: Das bildest du dir vielleicht nur ein. Und dann war eben dieses eine Ereignis, von dem ich Ihnen ja schon berichtet habe.”
„Könnten Sie das bitte noch einmal für die Aufnahme erzählen?”
„Ja … ähm, also das war dann dieses durchaus unheimliche Ereignis, als ich nachts aufgewacht bin und dieses Tier direkt neben meinem Bett stand, das war nur einen Meter entfernt. Und dann war ich mir auch sicher, dass das ein Affe ist.”
„Sie haben dieses Wesen deutlich gesehen?”
„Ja, das war nur etwa einen Meter von mir entfernt. Aber das hat nichts gemacht, das ist nur dagestanden. Und das war auch das letzte Mal, dass ich diesen Affen gesehen habe.”
„Und was war danach?”
„Nun … zunächst einmal nichts. Also etwa ein Jahr überhaupt nichts. Aber ich hatte oft den Eindruck, dass jemand in meiner Nähe ist … zum Beispiel, wenn ich meine Modelle gebaut habe.”
„Könnten Sie den beschreiben, diesen Eindruck?”
„Ja … ähm, ich hatte einen Schreibtisch, der neben der Balkontür stand. Und daran habe ich meine Modelle gebaut, das ist mein Hobby, da kann ich mich sehr gut entspannen. Und ich saß immer mit dem Rücken zum Zimmer und hatte oft den Eindruck, dass jemand hinter mir ist und mir zusieht … mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen.”
„Was denken Sie, wer hat Ihnen zugesehen?”
„Das war sie.”
„Wen meinen Sie mit „sie”?”
Plötzlich wandelt sich das Gesicht des Mannes auf dem Monitor. Die Mundwinkel gehen nach oben, Falten verschwinden. Auf einmal besitzt dieser Mensch eine seltsame
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