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Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)

Titel: Vierter Stock Herbsthaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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mir?”
    „Frau Pander, ich gebe Ihnen Recht, dass mein Verhalten falsch war. Aber bitte machen Sie sich bewusst, was wir hier Faszinierendes vor uns haben. Wir haben hier Anhaltspunkte für die Existenz eines Phänomens, das unsere Vorstellung der Wirklichkeit ernsthaft in Frage stellt, das uns möglicherweise ganz neue Perspektiven eröffnet. Was ich von Ihnen will? Ich möchte, dass Sie Ihr Leben im vierten Stock des Herbsthauses als eine Art Feldforschung betrachten, als Arbeit an einem wissenschaftlichen Projekt. Ich will, dass wir beide als Kollegen zusammenarbeiten, dass Sie Protokoll führen und mit mir über Ihre Erlebnisse sprechen. Ich möchte gerne mit Ihnen zusammen dieses Phänomen erkunden, von dem mir so viele Berichte vorliegen … und an dem schon mein Freund Schubert interessiert war.”
    Strauss schaut mich an, seine Schultern beben. Er ist aufgeregt, deutlich höre ich sein Atmen.
    „Warum sind Sie nicht selbst dort eingezogen, wenn Sie dieses Herbsthaus so fasziniert?”
    „Ach, weil ich ein alter, schwacher Mann bin … und weil ich voreingenommen bin, weil ich diese ganzen Berichte über paranormale Phänomene in vierten Stock des Hauses in- und auswendig kenne. Sie hingegen sind ohne irgendwelche Erwartungen in diese Wohnung gezogen und trotzdem ist Ihnen dieses schwarze Tier begegnet, dieses Wesen, von dem auch andere Bewohner unabhängig voneinander berichtet haben. Das war nicht ihre Erwartung, die Ihnen dieses Wesen beschert hat … da ist tatsächlich etwas. Wenn Menschen etwas unabhängig voneinander sehen, dann gibt es da etwas, dann kann man ein Phänomen nicht einfach als Einbildung abtun.”
    Strauss spricht schnell, wirkt wie mitgerissen von seinen eigenen Worten. Ich habe den Eindruck, dass es immer wärmer wird, in diesem kleinen, fensterlosen Raum. Steigt Strauss' Körpertemperatur? Heizt sein von Begeisterung erfüllter Leib den Raum auf?
    „Sehen Sie denn nicht, was wir hier vor uns haben? Wenn wir Beweise finden, wenn wir nachvollziehbare Beweise für die Existenz eines Phänomens finden, das unsere Wirklichkeitsauffassung aufbricht, dann betreten wir wissenschaftliches Neuland, dann sind wir wahre Pioniere. Mein Freund Schubert war ein hochintelligenter Mann, niemand, der Zeit und Energie in Hirngespinste investiert hätte. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Phänomen erforschen! Lassen Sie uns wissenschaftliches Neuland betreten!”
    Strauss macht eine Pause, wartet auf meine Antwort. Als keine kommt, da spricht er weiter.
    „Frau Pander, ich möchte Sie gerne als wissenschaftliche Mitarbeiterin einstellen, ganz offiziell. Sie bekommen 1500 Euro monatlich von mir. Aber bitte bleiben Sie in dieser Wohnung, bitte bleiben Sie dort und seien Sie aufmerksam. Lassen Sie uns in Kontakt bleiben, auch ich werde weiter recherchieren, lassen Sie uns gemeinsam das Geheimnis dieses Hauses lüften. Wir haben hier eine Chance, die nicht viele haben, wir haben hier die Chance, eine Wirklichkeit kennen zu lernen, die unsere vertraute Wirklichkeit übersteigt.”
    Einen Moment lang schauen wir uns an. Strauss ist nervös, sein linker Mundwinkel zuckt und seine Hände arbeiten ineinander. Finger schieben sich in Lücken, verwickeln sich, sehen plötzlich aus wie ein pulsierender Haufen blasser, sich windender Maden. Ich bin verdammt müde, ich brauche eine Pause. Gleich werden sich die Fingermaden in dicke Fingerfliegen verwandeln, dann die Fliegen wieder in Maden. Fliegen-Maden … Fliegen-Maden … Fliegen-Maden-Finger. Strauss bemerkt meinen Blick und hält die Hände still.
    „Ist Ihnen gut? Sie sehen blass aus.”
    „Ja, geht schon. Ist nur gerade etwas viel.”
    „Frau Pander, ich hätte das mit der Wohnung nicht eingefädelt, wenn jemals einer Frau dort etwas Gefährliches passiert wäre … das müssen Sie mir glauben. Außerdem ist dieses Phänomen, nach allem was ich weiß, ortsgebunden. Es wird Ihnen nicht folgen, falls Sie das Herbsthaus verlassen, Sie werden an keinem anderen Ort diesem schwarzen Tier begegnen … diesem Tier, das Herr Schlechter als Affen bezeichnete. Sie können jederzeit gehen und alles hinter sich lassen. Aber bedenken Sie bitte, welche Chance Sie sich damit entgehen lassen.”
    „Sie wissen ja, dass ich nicht alleine in der Wohnung lebe.”
    „Ja, das weiß ich”, antwortet Strauss.
    „Falls also von diesem Haus … oder diesem Stockwerk eine Gefahr ausgeht, dann bringe ich meine Freundin in Gefahr, wenn ich weiter dort bleibe.”
    „Wie gesagt: Es

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