Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
und seiner fünfzehnjährigen Tochter in der Wohnung, die direkt neben Ihrer liegt und die nun seit einigen Jahren leer steht. Dieser Mann glaubte sich nächtens von einer großen, tierähnlichen Gestalt heimgesucht, die sich zunächst nur stumm in seiner Wohnung bewegte, ihn dann aber ansprach. Daraufhin verließ der Mann zusammen mit seiner Familie fluchtartig das Haus. Da er auch Wochen nach seinem Auszug noch unter Alpträumen und Schlafstörungen litt, suchte er nach psychiatrischer Hilfe. Ich habe die Akten gesehen, die Schubert damals angelegt hat. Der Patient berichtete von einem großen, aufrecht gehenden Wesen, das komplett von schwarzem Fell bedeckt war. Insgesamt sah er dieses Wesen innerhalb von drei Wochen viermal. Während der vierten Begegnung, wenn ich mich recht erinnere, dann fand diese kurz nach 23 Uhr im Flur der Wohnung statt, sagte die Erscheinung Folgendes zu ihm: „Ich weiß, wer du bist. Und weißt du denn, wer ich bin?” Der Mann antwortete nicht, lief stattdessen zurück ins Schlafzimmer und weckte seine Frau, dann auch seine Tochter. Noch in derselben Nacht verließ die Familie das Haus.
Zwischen 1986 und 1993 lebten meines Wissens sechs Parteien in der Wohnung, in der diesem Mann besagtes Wesen erschienen ist. Aus dieser Zeit liegen mir leider keine Berichte vor. Allerdings könnte die Tatsache, dass niemand länger als zwei Jahre in der Wohnung bleiben wollte, dafür sprechen, dass auch in diesem Zeitraum Bewohner verstörende Erfahrungen machten.
Wie dem auch sei, in Schuberts Akten findet sich ein weiterer Bericht aus dem Jahr 1994. Ein älteres Ehepaar, sie 73 und er 76, lebte zwischen Februar und April in der Wohnung. Nach dem Auszug wendete sich dieses Ehepaar an einen katholischen Geistlichen, der sich allerdings keinen Rat wusste und den Kontakt zu Schubert herstellte. In mehreren getrennten Sitzungen berichteten beide Ehepartner übereinstimmend von Schritten in der Wohnung, von Gegenständen, die über Nacht ihren Ort änderten und von intensiven Gefühlen des Beobachtet-Werdens. Gerade der ältere Herr war nach einigen Wochen in der Wohnung dermaßen verängstigt, dass er nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr das Schlafzimmer verlassen konnte. In seinen Notizen erwähnt Schubert, dass dieser ältere Herr, bis zu seiner Verrentung übrigens Bauingenieur, nachts in eine Glasflasche urinierte, nur um nicht den Weg bis zur Toilette gehen zu müssen. Wie dem auch sei, eines Nachts hatte dieser Mann den starken Eindruck, jemand oder etwas habe ihn am Hals gepackt. Anschließend bestand er darauf, die Wohnung zu verlassen. Seine Ehefrau berichtete nicht von solch körperlichen Erfahrungen.
Zwischen 1994 und 1999 lebten dann drei verschiedene Parteien in der Wohnung, auch hier also sehr viel Wechsel. Ganz offensichtlich hielt es niemand sehr lange in der Wohnung aus.
Im Jahr 2000 zog ein junges Paar mit dem gemeinsamen Sohn in die Wohnung. Sie blieben nur rund einen Monat. Ich weiß nicht genau, wie Schubert mit diesem Paar in Kontakt gekommen ist, jedenfalls führte er mehrere Gespräche mit der Ehefrau, ihr Mann weigerte sich leider, mit einem Psychiater zu sprechen.
Die Frau berichtete, dass ihr Sohn – er war zum Zeitpunkt des Einzugs vier Monate alt – in der Wohnung extrem häufig geschrieen habe. Man habe den Säugling nicht alleine in einem Zimmer lassen können. Auch von einem intensiven Gefühl des Beobachtet-Werdens erzählte diese Frau. Außerdem habe sich ihr Mann psychisch verändert. Er sei reizbar geworden, habe Wutausbrüche gehabt. Sie habe zunehmend Angst vor ihm und seinen Launen bekommen.
Zum Auszug führte letztlich ein nächtliches Erlebnis. Die Frau wachte gegen drei Uhr in der Frühe auf, weil wieder einmal das Kind brüllte. Die Wiege stand im Schlafzimmer, direkt neben dem Bett der Eltern.
Im Halbdunkel sah die Mutter eine Gestalt, die sich über die Wiege zu dem schreienden Kind hinunterbeugte. Die erschrockene Frau sprang aus dem Bett und stürmte zu ihrem Kind, die Erscheinung war da schon verschwunden. Gegenüber Schubert beschrieb die Mutter diese Erscheinung als eine ältere Frau in einem Nachthemd.
Nach dem Auszug des Ehepaares stand die Wohnung etwa ein halbes Jahr leer, dann zog ein alleinstehender Mann Mitte Vierzig ein. Dieser Mann nahm sich sieben Monate nach seinem Einzug das Leben, er hängte sich im Keller des Hauses an einem Heizungsrohr auf. Leider sagt Schubert in seinen Notizen nichts über etwaige Gründe für den
Weitere Kostenlose Bücher