Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
zusammen, der sich an ...
Schluss! Aus! Meine scheiß Phantasie ist mal wieder auf dem Alleinherrschertrip. Den Mut, den ich gerade noch hatte, hat sie schon in die Verbannung geschickt. Und jetzt ist sie kreischend und mit sämtlichen Armen fuchtelnd hinter meinem Verstand her. Der kleine Kerl braucht dringend Hilfe. Okay, was weiß ich? Es gibt keine Spukberichte, in denen der Keller eine Rolle spielt. Gut, einer hat sich da unten erhängt … aber das heißt nichts, der wollte wahrscheinlich nur ungestört sein bei seinem Selbstmord. Außerdem ist der Keller der Ort, der innerhalb des Hauses am weitesten von der Wohnung entfernt ist, von der mich jetzt gerade nur eine Wand und eine Tür trennen. Wo könnte ich also sicherer sein?
Ich stemme mich vom Sofa hoch, schnappe mir Schlüsselbund und Taschenlampe – wenn das Ding den Geist aufgibt, dann hab ich immer noch mein Handy – und verlasse die Wohnung. Sollte ich nicht besser warten, bis Paula wieder da ist?
Ich laufe am Maul des Aufzugs vorbei – Na alter Freund, auch mal wieder hier? – und öffne die Tür zum Treppenhaus. Runter, runter, runter, erster Stock, Erdgeschoss, Keller. Vorbei am Aufzugsschacht – hinter dem Gitter nur Schwärze, das samtgefütterte Maul ist mir netterweise nicht nach unten gefolgt – gehe ich zu der großen, feuerfesten Metalltür, hinter der die Kellerabteile liegen. Links ist die Tür zum Waschraum, in dem über einer einsamen Waschmaschine bunte Plastikschnüre gespannt sind, daneben eine nur etwa fünfzig Zentimeter breite Tür ohne Schloss und Klinke – keine Ahnung, wie man die öffnet und was dahinter ist.
Okay, die Taschenlampe funktioniert. Ich drehe den Schlüssel im Schloss, ziehe die große Tür auf und taste nach dem Lichtschalter. Wie vermutet, es bleibt dunkel. Dann war also auch Paula mit der Taschenlampe hier unten, als sie dieses Kleid gefunden hat. Die hat nicht nur Wäsche gewaschen und sich dann aus Langeweile die Kellerabteile angeschaut, die ist extra hier runter, weil sie stöbern wollte. Im Waschraum funktioniert das Licht, da braucht man keine Taschenlampe.
Ich klemme die schwere Tür fest und leuchte in den Kellerraum. Vor mir ein Gewirr aus Gängen und Verschlägen, nacktes, faseriges Holz. An der Decke verlaufen Metallrohre, der Betonboden ist uneben, übersät von Rissen und dunklen Schlieren. Ich gehe einige Schritte und komme an eine Abzweigung, rechts und links von mir nur weitere Holzverschläge, einige noch mit Vorhängeschlössern gesichert.
Ich leuchte in eines der Abteile und sehe eine verdreckte Kochplatte, daneben Kartons mit irgendwelchen alten Zeitschriften. Im nächsten Abteil steht ein Sofa mit zerrissenem Bezug neben mehreren Rollen schwarzer Folie, an denen Erde klebt. Und nebenan – ich muss grinsen, als ich ihn sehe – steht exakt der Fernseher, den meine Eltern hatten, als ich noch ganz klein war. Ein beigefarbener Kasten mit runden, silbernen Knöpfen an der Vorderseite. Man musste zum Gerät laufen und diese Knöpfe drücken, wenn man umschalten wollte, eine Fernbedienung gab es nicht. Ich erinnere mich sogar an das Geräusch, das diese Knöpfe machten: Ein helles und erstaunlich lautes Klicken. Einen Moment überlege ich, in das düstere Abteil zu gehen und einen der runden Knöpfe zu drücken. Aber ich lasse es und gehe weiter.
Etwa zehn Minuten später bin ich durch … und habe keine Ahnung, welches Abteil zu welcher Wohnung gehört. Zwar sind die Holzverschläge mit kleinen, runden Metallplaketten versehen, auf denen Nummern eingestanzt sind, aber woher soll ich wissen, welche Nummer zu welcher Wohnung gehört? Geht das von oben nach unten und pro Stockwerk im Uhrzeigersinn? Ich habe keine Ahnung.
In fast der Hälfte der Abteile stehen noch Sachen. Manche Leute sind ausgezogen und haben einfach alles da gelassen, was sie nicht mehr gebrauchen konnten … hat wohl keiner mehr kontrolliert. Bestimmt sind in all dem Gerümpel noch ein paar Schätze verborgen … man müsste nur mal richtig suchen.
Aber nicht jetzt. Ich verlasse den Keller, gehe hoch ins Erdgeschoss und an den Briefkästen vorbei ins Freie.
Dort setze ich mich auf eine der Stufen, lege die Taschenlampe weg und grinse in mich hinein. Hätte nicht gedacht, dass ich so cool bleibe, dort unten in der Dunkelheit. Okay, natürlich weiß ich nicht, wie ich reagiert hätte, wäre mir etwas begegnet … das große schwarze Tier oder – Gott bewahre! – das kleine Mädchen mit den Verbänden um den
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