Vilja und das Raeuberfest
zugeben können. Nur ein kleines, leises Pfeifen die ganze Nacht hindurch, aber die Räubermutter leidet darunter.«
Hele schaffte es, keine Miene zu verziehen, doch Kalle und ich brachen in Gelächter aus. Das Gesäge vom Wilden Karlo hätte einen ganzen Wald fällen können, so laut war es.
» SCHWINDEL n ist für dich ’ne tolle Disziplin«, sagte Hele und schaute mich scharf an. » Ich hatte schon im Winter überlegt, welche es sein könnte. Du hast ein ziemlich gutes Pokerface. Trotzdem bist du für mich wie ein offenes Buch, zum Beispiel was diesen Portemonnaie-Quatsch betrifft!«
Ich wurde knallrot. Kalle sah aus, als hätte er gerne mehr erfahren.
» Aber zum Glück zählt meine Meinung in dieser Sache nicht«, meinte Hele gnädig. Dann fuhr sie mit ihren Erklärungen zum Sommerfest fort. » An SCHWINDEL n hab ich damals gar nicht gedacht, weil wir erst vor einem Monat erfahren haben, dass es wieder eingeführt wird. In diesem Jahr sind zwei neue Uralt-Disziplinen dabei. Ge SCHWINDEL t wurde zuletzt bei einem Sommerfest irgendwann in den 80er-Jahren, aber dann ließ der Räuberherrscher Pärnänen die älteren Disziplinen wegfallen und nahm stattdessen alle möglichen Generalversammlungen und Seminare ins Programm auf – Frieden und Liebe für die Räubergemeinschaft. Ein Leben wie im Märchenland der Feen und Elfen …«
» Vilja hat keinen blassen Schimmer, wovon du redest«, half Kalle mir weiter, als er meinen Gesichtsausdruck sah. » Fangen wir mal bei den Regeln an: Beim SCHWINDEL n muss man es schaffen, eine große Schwindelei in jeglicher Hinsicht glaubhaft darzustellen, sodass der Gegner hinters Licht geführt wird«, erklärte er mir.
» Im Finale kommen dann die härteren Runden«, sagte seine Schwester, die beleidigt zu sein schien, dass sie nicht meine alleinige Lehrerin sein durfte. » Das klingt nach einer Weichei-Aufgabe, ist es aber nicht. Im Finale muss man in der Lage sein, glaubhaft zu SCHWINDEL n, und man darf um nichts in der Welt die Wahrheit zugeben, selbst wenn die anderen Finalisten versuchen, einen zu Tode zu kitzeln! Beim SCHWINDEL n entscheiden die Pokerface-Künste. Das Wichtigste ist nicht, was für eine Lüge man sich ausdenkt, sondern wie man seine Körpersprache so entspannt aussehen lässt, dass alles gleich aussieht – das Wahrheit-Sagen und das Lügen. Eigentlich gehört das SCHWINDEL n zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Räubers! Wenn du von der gegnerischen Sippe oder von der Polizei geschnappt wirst, ist das eine Disziplin, mit der du überleben kannst!«
Körpersprache, schrieb ich in mein Notizbuch.
» SCHWINDEL n funktioniert nach Helmeri Kvists alten Regeln, und die wurden fast hundert Jahre lang nicht verändert! Pass auf: Man sagt drei Sätze, von denen ein Satz eine möglichst dreiste Lüge sein muss. Vorher schreibt man alles auf und gibt seinen Zettel einem neutralen Schiedsrichter, der also schon vorher weiß, welcher Satz deine Lüge sein wird. Sonst würden wir ja alles Mögliche als Lüge bezeichnen, nur um Punkte zu kriegen. Jedenfalls würde ich’s so machen«, sagte Hele und grinste ihr Haifischlächeln.
» Ich auch«, sagte Kalle und grinste ebenfalls.
» Ist man also selbst dran, muss man eine Lüge erzählen«, fuhr seine Schwester fort. » Es ist wichtig, seine Gesichtsmuskeln und Körpersprache zu kontrollieren und sich für mehrere Wettkampfrunden immer drei Sätze zu überlegen. Die Behauptungen müssen etwas mit dem Räuberleben zu tun haben und irgendetwas Riskantes und Wichtiges beinhalten. Schlappschwanz-Sätze werden nicht akzeptiert, und man muss sich dann neue überlegen. Wegen so was kann man sogar noch Punkteabzug bekommen. Wenn man SCHWINDEL t, ist es am Wichtigsten, immer daran zu denken, dass sich diese Disziplin aus einer feindlichen Verhörmethode heraus entwickelt hat. Da erzählt man keine Lügen von irgendwelchen Knuddelhäschen. Ach ja!«, unterbrach Hele ihre lange Rede und zielte mit ihrem Zeigefinger auf mich. » Nicht zu lange Sätze! Denn im Finale, in dem es drei Teilnehmer gibt, muss man auch reden können, während man durchgekitzelt wird. Da bereitet jedes einzelne Wort Höllenqualen!«
Der Gedanke an das Durchkitzeln fühlte sich ganz schön gemein an. Vanamo hatte mich damit schon immer regelrecht gequält. Das fing bereits an, als ich noch ganz klein war. Ich hatte die Phase überwunden, in der man sich einredete, dass es am Kitzeln irgendetwas Tolles geben könnte. Für mich war es lediglich eine
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