Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Rest der Räuberfamilie blieb demonstrativ im Haus, als der Wagen vorfuhr. Der Taxifahrer nahm höflich einen Mäusefurz entgegen und schien sich nicht zu wundern, woher ich einen so großen Schein hatte. Für ihn war ich vermutlich nur ein kleines Mädchen, das mit seiner Oma in die Stadt fuhr. Als er mir vor dem Einkaufszentrum mein Wechselgeld herausgab, verschwand eins der Probleme von meiner langen Problemliste: Das Geld war schon mal nicht gefälscht. Oder wenn, dann war es schrecklich gut gefälscht, und das musste nicht mehr meine Sorge sein.
Bei der Bank richteten wir ein Konto auf Kaijas Namen ein und zahlten den größten Teil der Scheine aus dem Pappkarton darauf ein. Unten im Karton blieben zwei von Gummibändern zusammengehaltene Bündel übrig, die lange reichen würden. Wenn das Geld auf einem Konto lag, konnte es keine unangenehmen Fragen geben, falls der Räuberbus in einen Hinterhalt oder in eine Polizeikontrolle geriet. Wir wurden in der Bank äußerst höflich behandelt. Die Dame an der Kasse bot uns mehrere Broschüren über Aktien und Fonds an, doch wir lehnten dankend ab. Wir baten sie nur, das Konto ans Internetbanking anzuschließen. Dann gingen wir in ein Elektronikgeschäft und kauften zwei Laptops mit mobilem Breitband und eine Digitalkamera. Der Plan erforderte gewisse technische Hilfsmittel.
Als wir so weit gekommen waren, lotste Kaija mich in eine Eisdiele, wo sie mich bat, ihr den kompletten Plan noch einmal von A bis Z zu erklären.
» Nichts auslassen!«, sagte sie, als ich versuchte, ein paar Kleinigkeiten zu überspringen. » Ich muss auch die Einzelheiten verstehen. Ich bin Meisterin im Ränkeschmieden, und trotzdem will mir das mit dieser Abstimmung nicht richtig in den Kopf. Erklär noch mal.«
Beim dritten Mal begann ich schon verstohlen zu unseren Nachbartischen zu schauen, dass bloß niemand uns zuhörte. Ich war jetzt ganz anders als die Vilja, die zu Anfang des Sommers in Papas Auto saß und sich um Lakritzautos zankte. Jenes Mädchen hätte ich jetzt auch gar nicht mehr sein wollen. Ich wollte die Räuberbergs retten. Das wollte ich mehr als irgendetwas anderes in meinem bisherigen Leben.
» Ist das jetzt so ein … Markenzeichen?«, fragte Kaija und schlürfte den letzten geschmolzenen Rest aus ihrem Eisbecher, wovon sie Schokoladenstreifen an den Mundwinkeln bekam. Sie versuchte räubermäßig dreinzuschauen, beugte sich beim Sprechen über den Tisch, kniff die Augen zusammen und versuchte, mit so rauer Stimme zu sprechen wie ein Räuberhauptmann, aber für mich war sie die rührende Kaija, die Schokolade an der Wange hatte. » Damit prahlt mein Brüderchen doch immer.«
Kaija richtete sich auf und streckte den Rücken durch: » Wenn Joni von Hiidendorf einen teuflischen Plan braucht«, dozierte sie, » zum Beispiel um einen Verdacht von sich abzuwenden oder in einen völlig uneinnehmbaren Burgturm hineinzukommen, kann ich dich von jetzt an immer anrufen und um literarische Beratung bitten. Im Ränkeschmieden bist du noch besser als ich – ein echter Profi.«
» Nur zu«, sagte ich. » Schreiben ist bestimmt schön. Ein leichter Beruf. Man kann den ganzen Tag zu Hause sein.«
Kaija lächelte schief und wackelte mit dem Kopf. Wenn du wüsstest …, schien sie sagen zu wollen.
» Ich dagegen habe langsam das Gefühl, dass das Räuberdasein mehr Spaß macht als Schreiben«, sagte Kaija nun wieder mit Räuberstimme. » Und ab-so- LUT viel mehr Spaß, als in meinem Häuschen herumzusitzen. Das wäre mal ein Schock für Karli, wenn ich sagen würde, dass ich mit will!«
» Na ja, das war nur so eine Idee von mir«, sagte ich etwas verlegen. » Und gar nicht unbedingt die beste.«
Es war mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass Kaija sich ganz im Ernst für unsere geheimen Machenschaften begeistern könnte.
» Hauptsache, sie hören auf, sich zu streiten«, sagte Kaija.
Hier endete zum Glück das Gespräch über Kaijas Räuberlaufbahn. Wir bestellten uns noch zwei Eisbecher und machten uns danach fröstelnd auf den Weg, um vielerlei Angelegenheiten zu regeln. Das alles dauerte so lange, dass wir am Abend noch nicht zurück konnten.
» Wo zum Kuckuck seid ihr gewesen«, kreischte Hele mit rotem Gesicht, als wir am nächsten Mittag mit dem Taxi bei Kaijas Häuschen ankamen. » Der Wilde Karlo war sicher, dass ihr der Polizei in die Fänge geraten seid, und wir haben hier schon den Grundriss des Polizeigebäudes aufgezeichnet, weil wir dachten, wir müssten
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