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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siri Kolu
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wir könnten wenigstens eine Pause einlegen. Dann können wir nächsten Sommer überlegen, was wir machen. Wenn die Lage sich beruhigt hat.«
    Seine Augen flehten mich um Unterstützung an. Sag ihnen, wie wichtig es ist, in die Schule zu gehen, bettelte er wortlos. Sag ihnen, was für ein Gefühl es ist, wenn man nach Hause in die eigene Wohnung geht, wo das Essen auf dem Tisch steht. Aber ich half ihm nicht. Diese Diskussion betraf seine Familie. Allerdings würde sie auch Auswirkungen auf mich haben. Sollten die Räuberbergs beschließen, ihr Leben auf der Landstraße zu beenden, müsste auch ich nach Hause. Mein Abenteuer wäre vorbei.
    » Wo hast du das gehört?«, fragte Hilda schneidend.
    » Das hat jemand erzählt«, wand sich Kalle.
    Er hielt Hildas Dolchblick nicht lange aus.
    » Also Kaija, so was erzählst du unseren Kindern«, sagte der Wilde Karlo und sah sehr traurig aus. » Ich hatte gedacht, dass gerade du …« Die Stimme versagte ihm, und preiselbeergroße Tränen kullerten ihm über die Wangen. Mitten im Satz wandte er sich ab und ging davon.
    Kaija schien um Jahre gealtert zu sein. Ihre Haut sah aus wie zerknittertes Papier.
    » Ich habe es wirklich nicht böse gemeint«, sagte sie.
    » Papa«, rief Kalle hinter dem Wilden Karlo her. » Ich habe heimlich gelauscht. Kaija hat es Vilja erzählt, und ich habe gelauscht. Es ist meine Schuld!«
    Aber der Wilde Karlo kam nicht zurück. Über das Häuschen legte sich eine dichte und verzweifelte Stille.
    An diesem Abend saßen die Räuberbergs verdrossen herum, jeder in seiner Ecke. Ich half Kaija, eine Suppe aus Fleischkonserven zu kochen, so eine, wie der Räuberhauptmann sie besonders mochte, wenn er dazu krachend große Knäckebroträder mampfen konnte. Alle setzten sich an den Esstisch, aber kaum jemand aß etwas.
    » Nein danke«, sagte der Wilde Karlo. » Ich habe eigentlich keinen Hunger.«
    Hilda schöpfte sich Suppe auf den Teller, ließ sie aber kalt werden und starrte nur vor sich hin. Kalle saß so weit wie möglich von Hele entfernt, offenbar hatten sie gestritten. Nur Hele schien das Essen zu schmecken, doch auch sie hörte auf, als sie merkte, dass alle anderen ihr zusahen. Die gespenstische Stimmung am Tisch kam mir bekannt vor, aber erst als ich das unberührte Geschirr abräumte, begriff ich, warum: Genau so war es ganz oft bei mir zu Hause gewesen.
    » Irgendwas müssen wir einfach tun!«, rief ich aus, als ich mich neben Kaija in die Hollywoodschaukel fallen ließ. Wir hatten uns verzogen, weil wir beide nicht aushielten, dass die beleidigten Familienmitglieder drinnen um die Wette schmollten und einander mit Gewittermiene aus dem Weg gingen.
    » Gut«, seufzte Kaija. » Gut, dass endlich jemand den Mund aufmacht. Das hier ist ja noch harmlos. Andere würden jetzt eine Meuterei anzetteln. Ist alles schon passiert. Da haben sie einen Kapitän gefesselt an einer Tankstelle sitzen lassen und dann noch die Polizei hingeschickt.«
    » Lass uns einen Plan machen«, sagte ich. » Lass uns zusammen alle Möglichkeiten durchdenken und ihnen dann die beste vorschlagen.«
    » Wenn ein Kind in die Schule will und das andere einen Räuberbus befehligen, kann nicht jeder bekommen, was er will«, sagte Kaija. » Ich glaube, das Problem ist sogar noch größer. Viele Jahre lang hat Karli seine Träume verwirklichen dürfen. Aber das Leben ist nicht immer ein Abenteuer. Manchmal ist es auch einfach nur Alltag.«
    » Nein«, entfuhr es mir, und ich sprang von der Schaukel auf, wobei ich mir den Kopf an der oberen Querleiste stieß, aber davon ließ ich mich nicht bremsen. Ich hielt mir die Stirn und rief: » Es muss irgendeinen Mittelweg geben!«
    Aus dem grauesten Alltag war ich in eine Welt entführt worden, in der es so viel Spaß und Freiheit gab, und jetzt wollte ich einfach nicht glauben, dass all das nicht von Dauer sein sollte.
    Drei ganze Tage grübelte ich durch. Drei ganze Tage lang stand der rosa Räuberwagen vor Kaijas Häuschen, und die Besatzung hing tatenlos im Haus herum. Ich lutschte an meinem Bleistift, ging am Ufer entlang und sah den Entenküken zu, die in einer Kette hintereinander her schwammen – und endlich formten sich in meinem Kopf ein paar Ideen. Ich setzte mich der Reihe nach mit jedem von ihnen zusammen und ließ sie reden. Dabei machte ich mir Notizen, die ich aber niemandem zeigte, auch wenn sie mir über die Schulter gucken wollten.
    » Einen Räuberbus zu leiten, ist eine Imagefrage«, sagte der Wilde Karlo. » Man

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