Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
gezeigt, wie sie mehr Aufkleber für den Räuberbus bestellen und von Kaijas Konto online bezahlen konnte.
» Okay«, sagte Hele und zog an ihren Fingern, dass die Gelenke knackten. » Erzähl schon.«
» Was denn?«, lachte ich auf. Ich hatte geglaubt, dass sie von all den neuen Informationen völlig erschöpft sein würde.
» Du wolltest mir doch wohl kaum nur diese läppischen Sachen zeigen«, sagte Hele. » Wie legt man sich hier in einen Hinterhalt? Wie hält man jemandem ein Messer an die Kehle: Bonbons oder Leben?« Sie klopfte auf den Bildschirm des Computers, der aufgeklappt auf meinen Knien stand, und sagte: » Wenn da schon Einkaufsläden drin sind, dann sind doch bestimmt auch ein paar Kioske drin, die man überfallen kann?«
» Wie jetzt?«, sagte ich völlig verblüfft. » Das wäre mir überhaupt nicht eingefallen.«
» Na, dann lass es dir jetzt ganz schnell einfallen«, rief Hele. » Wo Menschen sind, sind auch überflüssige Sachen. Und wo überflüssige Sachen sind, geht es dem Räuber gut. Denk nach!«, befahl sie.
Ich dachte an meinen Vater, der bis spätabends am Computer saß. Er spielte Zweitausend Fragen, das langweiligste Spiel, das ich kannte, aber Papa war darin unschlagbar. Oder er wartete darauf, dass die Zeit für irgendeine Internetauktion ablief, denn er sammelte alte Münzen, je älter, desto besser. Die bewahrte er in seinem Arbeitszimmer in einer Vitrine auf – ein Schatz, dem die Räuberbergs keinerlei Wert beimessen würden.
Wenn Papa bei einer Auktion etwas unbedingt haben wollte, wurde er ein anderer Mensch. » Verflixte automatische Erhöhung!«, schrie er dann. » Aber ich werde dich überbieten!« Und wenn er die Auktion wirklich gewann, vergingen ein paar Tage, und es kam wieder eine neue Münze in einer gepolsterten Pappschachtel, die er aus der Verpackung nahm, behutsam als wäre sie ein Baby. Dann sah er sich die Zähnung und die Prägung mit einem Vergrößerungsglas an und war völlig hingerissen. » Mein kleiner Goldschatz«, sagte er. » Bei Jouni bist du in Sicherheit. Komm, komm. Hier hast du viele, viele kleine Freunde.« Während er redete, legte er die Münze auf die Samtunterlage in der Vitrine und schloss dann ab.
Ich kann mich nicht erinnern, dass er auch nur einmal so zärtlich mit uns Kindern geredet hätte.
» Ich glaube, im Internet laufen Überfälle anders ab«, sagte ich nachdenklich. » Da kann man die Leute nicht durch Einschüchtern dazu bringen, ihr Eigentum herzugeben. Du musst sie dazu bringen, dass sie irgendetwas Albernes unbedingt haben wollen.«
Hele starrte weiter auf den Bildschirm, und in ihrem Gehirn ratterte es ganz offensichtlich. Ich ließ sie nachdenken, stieg aus der Schaukel und ging zu Kaija, um ihr mit dem Abendessen zu helfen. Ich glaubte, dass die Interneträuberei damit abgehandelt war, aber ich hätte natürlich wissen müssen, dass das nicht sein konnte, wenn Hele es anders wollte.
Am Abend waren wir lange in der Sauna in Kaijas Garten. Erst jetzt trauten die Räuberbergs sich wieder zu entspannen, wenn sie beieinander saßen. Nach der Sauna trafen sich alle mit roten Wangen in der Küche und genossen die Wärme des Backofens und den frischgebackenen Ofenpfannkuchen. Gold-Piet erzählte weiter seine alten Raubzüge, mit denen er in der Sauna angefangen hatte.
» Wisst ihr noch, wie wir in Kummola vor dem Polizisten ausgerissen sind?«, sagte er und lachte meckernd. » Dass so ein fetter Mensch überhaupt so schnell rennen kann. Der war bestimmt aus Angst vor seiner Frau so schnell.«
» Aus deren Auto hatten wir Strumpfhosen und hochhackige Schuhe für Hilda gemopst«, sagte Hele.
Hilda lächelte schief.
» Die Dame wollte zum Mittsommertanz«, sagte der Wilde Karlo. » Auf dem Auto stand bloß nicht drauf, dass sie die Frau des örtlichen Polizeichefs war! Und dieser Hobbydetektiv, der unsere Reifenspuren verfolgt hat, bis zu unserem Lager in – wo war das noch mal?«
» Irgendein Dorf in der Nähe von Hanko«, sagte Gold-Piet. » Ich weiß noch, dass ich magenkrank war und dass die Straßen fürchterlich viele Kurven hatten.«
» Der kam wirklich bis direkt an unser Zelt«, sagte Kalle. » Ich war noch ziemlich klein und bin fürchterlich erschrocken.«
» Der Mann sah aus wie ein schief gesessener Campingstuhl«, sagte der Wilde Karlo.
» Völlig HaRei.« Hele stülpte die Oberlippe vor und sagte: » Gebt mir meinen Regenschschschirm schschurück. Die SchSchSchokolade und dasch Eschschen könnt ihr
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