Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Wurfstellung:
    » Trainiere das schlaffe linke Handgelenk. Du hast zu viel Linksdrall.«
    Und so fing ich an, gegen die frisch gestrichene Flurwand Präzisionswürfe zu üben. Die Räuberbergs würden sowieso niemals ganz normal in ihrer Wohnung wohnen, das musste ich mir eingestehen.
    Hele schaute mir eine halbe Stunde beim Werfen zu, korrigierte meine Fingerstellung und meine Körperhaltung. Sie war eine überraschend gute Lehrerin. Das Kinn auf den Knien, saß sie scheinbar unbeteiligt auf dem Fußboden, aber sobald ich weniger als eine Sieben warf, schleuderte sie mir sofort eine Korrekturanweisung entgegen.
    » Du bist enttäuscht von uns«, sagte sie schließlich. » Deshalb wirfst du so nachlässig. Okay, komm mal gucken.«
    Sie ging ins Wohnzimmer und klappte den Laptop auf. Vor zwei, drei Wochen hatte ich ihr erklären müssen, was das Internet war, und nun tippte sie Passwörter und öffnete Browser schneller als ich blinzeln konnte.
    » Ich habe den Nutzeffekt mit ein paar eigenen Genialitäten verstärkt«, sagte sie gelassen. » Schau dir die hier an. Du hast keinen Grund zur Sorge.«
    Sie zeigte mir ihre Seite in einem Internetauktionsportal. 20 aktuelle Objekte stand dort.
    » Ich habe eine so gute Räuberei angefangen, dass wir bei Bedarf ganz schnell noch ein paar Wohnungen in verschiedenen Gegenden des Landes kaufen können, wenn wir hier nicht klarkommen«, sagte sie. » Man muss die Leute dazu bringen, dass sie irgendetwas Albernes unbedingt haben wollen, hast du doch gesagt. Hier ist ein Beispiel.«
    Ich traute meinen Augen kaum. Objekt 41325545 auf der Seite war eine aufgemotzte Anarcho-Barbie mit dem Markennamen » Bandit-H«, eine rothaarige Puppe mit Irokesenschnitt und dunkelbraunen Haarimplantaten, einem Nackenpiercing und einem ledernen Minirock, in dem ich eine Lederjacke aus einem auf einer kleinen Straße in Kokkola überfallenen Auto wiedererkannte.
    » Hundertneunundfünfzig Euro«, stieß ich hervor.
    » Und die Frau hier wird mit automatischer Erhöhung bis zweihundert steigern«, sagte Hele ausdruckslos. » Auf eBay gehen die noch besser, der Rekord liegt bei sechshundertzwanzig. Die hat ein Sammler in Deutschland gekauft.«
    » Aber wie …«
    » Also, hier steht es nicht, aber auf der Homepage von Bandit-H ist zu lesen, dass die Produkte ausschließlich mit geklauten und gefundenen Teilen aufgemotzt werden. Und dann ist da ein Chatforum, Anarcho-Haltung im Leben und so. Ungefähr tausend Besucher pro Tag.«
    Hele öffnete ein paar weitere Seiten, und ich las ein wenig im Chatforum.
    » Dieser lila Bereich ist ein geschlossener Bereich. Das Passwort dafür bekommt man, wenn man eine Barbie kauft. Das wollen die aus irgendwelchen Gründen alle unbedingt haben«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
    » Und ich zeig dir noch was.« Hele ließ die Finger über die Tastatur flitzen. » Rate mal, wer das hier ist?« Sie zeigte auf ein Benutzerprofil. Beach-Barbie, 22, stand dort als Name. » Das ist A-Ka Mikkonen vom › Motor-Horror vom Schärenmeer‹, und sie würde gerne bei mir arbeiten. Ich habe noch nicht entschieden, was ich tun soll.«
    » Dann ist sie jedenfalls nicht verhaftet worden«, sagte ich. » Die Räuberei geht weiter. Mit neuen Mitteln.«
    » Aus einem Grund ist es gut, dass du hiervon weißt«, sagte Hele und ließ die Seite blitzschnell verschwinden.
    » Das Geld«, sagte ich.
    » Mäusefürze haben mich nie interessiert«, sagte Hele schroff. » Kaija kümmert sich mit ihrem eigenen Computer um die Konten und den Versand und alles, ich bin schließlich minderjährig. Mich interessieren nur die Räuberei und der menschliche Charakter.«
    Sie machte den Kühlschrank auf, nahm eine Tüte Milch heraus und schaufelte zwanzig Esslöffel Kakaopulver hinein. Dann hielt sie die Tüte zu, schüttelte sie und trank den Kakao direkt aus der Verpackung.
    » Aber sag, was soll ich mit den Interviewanfragen machen? Bei der Zeitschrift Elle wollen sie einen Artikel über › die junge Designerin‹ oder so machen. Die haben eine der Puppen aus dem vorigen Monat gekauft. Damit hat der ganze Rummel angefangen. Inzwischen haben sich auch Image, Bravo Girl und noch ein paar andere gemeldet.«
    Genau in diesem Moment ging die Tür auf, und die lärmende Räuberbande kam nach Hause.
    » Wir haben den Teppich gekriegt!«, schrie Kalle. » Der Boss wollte schon aufgeben, aber ich habe gesagt, jetzt lass uns doch rasch noch in den Kofferraum schauen – und da lagen welche, schön