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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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gewusst, dass sie so mütterlich sein konnte.
    »Du meinst, sie hat deswegen ...?« Benjamin sprach aus, was alle dachten.
    Stefan zuckte mit den Schultern. »Ich weiß gar nichts. Aber dieses komische Gedicht. Was soll ich denn sonst denken?«
    »Warum hast du denn mit ihr Schluss gemacht?«, fragte Claire.
    »Ist doch jetzt egal«, flüsterte Stefan. »Aber deswegen bringt man sich doch nicht um.«
    »Ihr wisst doch gar nicht, ob das stimmt«, sagte ich. Alle Köpfe fuhren zu mir herum. Claire fing sich als Erste.
    »Ob was stimmt?«
    »Dass sie sich ... Dass das Selbstmord war.« Die Sache mit dem Füller ging mir nicht aus dem Sinn. Mein Unterbewusstsein grübelte die ganze Zeit darüber nach.
    »Na, was denn sonst?« Claire sah mich herausfordernd an. »Herzinfarkt? Alzheimer?«
    »Claire!« Benjamin riss erschrocken die Augen auf.
    Sie hob abwehrend die Hände hoch. »Sorry. Aber was soll Ninas Frage dann, hm?«
    »Es gibt ja noch eine andere Möglichkeit.« Ich brachte den Satz kaum raus. Sie starrten mich an. Verstanden endlich.
    »Wie bitte?«, fragte Julius.
    Jetzt oder nie, dachte ich. »Diese Typen, die dueingeladen hast, die waren doch alle nicht ganz dicht«, warf ich ihm an den Kopf. »Einer hat mich total angemacht. Vielleicht hat sich ja einer von denen Lauren geschnappt, als sie total besoffen war? Und wo warst du überhaupt?« Ich drehte mich zu Stefan um. »Wieso hast du Lauren allein gelassen? Wieso hat sie im Flur geschlafen?«
    »Ich hatte ihr gesagt, dass es aus ist. Sie ging mir mit ihrer Klammerei auf die Nerven.«
    »Ach ja?«, sagte ich. »Die Klammerei habe ich gestern aber anders beobachtet.« Musste ich noch deutlicher werden?
    »Was?«, fragte Claire verständnislos. Stefan war in sich zusammengesackt. Benjamin trommelte nervös mit den Fingern auf den Tisch. Ihn würde ich mir als Nächstes vorknöpfen.
    »Meine Freunde sind in Ordnung. Wie kannst du ihnen so was unterstellen?«, fuhr Julius mich an.
    »Deine Freunde? Oder deine Dealer?«, sagte Claire plötzlich. Julius erstarrte. Es wurde so still, dass man das Tropfen des Wasserhahns hören konnte.
    »Ich meine, wir wissen doch alle Bescheid, Julius. Und irgendwie hat Nina schon recht. Deine Kumpels sind nicht gerade die Unschuld vom Lande.«
    »Aber doch keine Mädchenschänder! Ja, es stimmt. Ein paar kenne ich noch von früher. Aus meiner ...« Er holte tief Luft. »Aus der Zeit, als ich noch abhängig war. Aber ich bin's nicht mehr!« Niemand sahüberrascht aus. Offenbar hatten es alle außer mir schon lange gewusst.
    »Und nur weil ein paar von denen ab und zu was Illegales machen, heißt das noch lange nicht, dass sie Mörder sind, oder?« Julius sah uns wütend an. Mörder. Jetzt hatte es jemand ausgesprochen.
    »Hört auf.« Stefans Stimme klang erschöpft. »Ich geh zu meinen Eltern. Die wissen es noch gar nicht. Und zu Laurens Eltern.« Damit erhob er sich. Ich sah, dass seine Augen wieder wässrig schimmerten. Und fragte mich mittlerweile, ob seine Trauer nun echt oder gespielt war.
    »Ich hau auch ab.« Benjamin sprang auf.
    »Das ist aber schade«, mischte ich mich ein. »Ich wollte dich nämlich auch noch etwas fragen.«
    »Ein andermal.« Seine Stimme klang eisig.
    »Wieso verschwindet ihr denn jetzt alle?« Julius wirkte regelrecht panisch. »Ihr könnt doch jetzt nicht einfach abhauen.«
    »Bevor wir nicht Bescheid wissen, woran sie gestorben ist, können wir sowieso nichts machen. Und ich habe keine Lust, mir hier irgendwelche Theorien und Unterstellungen anzuhören«, sagte Benjamin. Wie viel er auf einmal reden konnte. War das sein schlechtes Gewissen?
    Wenig später waren wir nur noch zu dritt. Die Küche war so sauber wie noch nie zuvor. Ich kochte schweigend Tee für uns. Julius rauchte Kette. Zigaretten.Fast war ich ihm dankbar, dass er das Brimborium mit seiner Pfeife bleiben ließ.
    »Ich geh mich duschen«, sagte Claire. Wir antworteten nicht.
    Als sie weg war, blieben wir eine Weile lang stumm.
    »Verdammte Scheiße«, sagte Julius auf einmal. Und dann fing er tatsächlich an zu schluchzen. Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte, kämpfte gegen meine aufsteigenden Tränen. Wenn ich nicht sofort verschwand, würden wir in wenigen Minuten gemeinsam hier sitzen und heulen. Und Julius war der Letzte, mit dem ich das tun wollte. Ich murmelte etwas und ging raus. Ich klopfte an Claires Zimmer. Niemand antwortete. Sie war da, das konnte ich hören, aber offenbar wollte sie alleine sein.
    Ich tigerte durch

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