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Villa des Schweigens

Villa des Schweigens

Titel: Villa des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Frage, die ich mir bislang vor lauter Panik noch gar nicht gestellt hatte: Warum war Lauren gestorben?Die KTU, die kriminaltechnische Untersuchung, kam wenig später. Diesmal waren es zwei Frauen in weißen Overalls mit Kapuzen über dem Kopf, die überall hinkrochen. Ich fragte mich, wie man so einen Job machen konnte. Zwang mich, nicht zu ihnen hinzusehen.
    »Haben Sie gestern eine Party gefeiert?«, fragte der Mann, der sich als Hauptkommissar Ertl vorgestellt hatte. Wir nickten. Die leeren Flaschen überall sprachen Bände.
    »Haben Sie eine Ahnung, wie viel Ihre Freundin getrunken hat?«, wandte er sich an Stefan.
    »Ich weiß nicht«, stotterte Stefan. »Ich glaube, normalerweise trinkt sie nicht so viel. Trank.«
    Er schluckte schwer.
    »Und gestern Abend? Sie müssen doch mitbekommen haben, ob sie völlig betrunken war, oder nicht? Der Arzt glaubt, dass sie zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens gestorben ist. Waren Sie da nicht mehr wach?«
    Um halb drei hatte ich doch das Geräusch von Schritten gehört. Sollte ich das erwähnen? Aber was genau würde das bringen?
    »Ich weiß nicht«, wiederholte Stefan leise, Panik in der Stimme. »Wir haben uns ... ein bisschen ... gestritten.«
    Ertl bedachte ihn mit einem forschenden Blick, drängte ihn aber nicht weiter.
    »Und Sie alle?« Er sah uns an.
    Benjamin zuckte resigniert mit den Schultern. Claire schüttelte leicht den Kopf.
    »Wir waren alle ziemlich fröhlich«, bemerkte Julius. Ich verfluchte ihn für dieses unmögliche Wort. Seine Stimme klang rau. Er sah aus wie ein Gespenst, fast weißer als Lauren.
    »Ich habe sie auf der Treppe sitzen sehen«, fiel es mir auf einmal ein. »Da hat sie geweint und behauptet, dass sie ziemlich blau wäre.«
    »Geweint?« Diesmal galt der skeptische Blick mir allein. Ich wich ihm aus.
    »Woran ist sie denn gestorben?«, fragte Claire.
    »Das wissen wir noch nicht. Das wird die Gerichtsmedizin feststellen.«
    »Gerichtsmedizin?« Julius' Stimme war kaum zu hören.
    Hauptkommissar Ertl nickte. »Ich habe gerade mit der Staatsanwältin gesprochen. Wenn die Todesursache unklar ist, geht der Fall in die Gerichtsmedizin. Junge Leute sterben ja nicht einfach so.«
    Der Fall. Lauren war jetzt ein Fall für die Gerichtsmedizin. Ich spürte, wie mir schwindlig wurde, und presste meine Hände so fest an meine Schläfen, dass es schmerzte.
    »Peter«, sagte plötzlich der andere Mann. Er hielt etwas Weißes hoch. Ein Blatt Papier. »Hatte sie in der Hand. Haben es kaum rausgekriegt.« Er stockte kurz und biss sich verlegen auf die Lippe. Claire schluchzte leise auf.
    Ertl nahm ihm den Zettel aus der Hand und las mit gerunzelter Stirn. Flüchtig konnte ich etwas Geschriebenes erkennen. Es sah aus wie ein Gedicht. Schlagartig wurde mir wieder so schlecht, dass ich aufsprang und ins Bad rannte. Ich schaffte es gerade noch bis zur Toilette. Was war das für ein Gedicht? Hatte Lauren auch so komische Gedichte bekommen? Ich spülte mir den Mund aus, klatschte kaltes, betäubendes Wasser in mein Gesicht und setzte mich auf den Wannenrand. Dort, wo gestern Stefan und Lauren gestanden hatten, als ich hereingeplatzt war.
    »Nina«, rief jemand. Ich schleppte mich wieder raus.
    »Hast du eine Ahnung, warum Lauren das in der Hand hatte?«
    Ich blinzelte. Starrte auf den Zettel. Das Gedicht. Ich las die ersten Zeilen und hätte beinahe aufgelacht. Das war ein ganz normales, wunderschönes Gedicht, nicht so ein verqueres Gestammel wie das, was der Unbekannte für mich hinterlassen hatte.
    Halblaut las Hauptkommissar Ertl vor, was auf dem Zettel stand:
    Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
    Die hat einen andern erwählt;
    Der andre liebt eine andre,
    Und hat sich mit dieser vermählt.
    Das Mädchen heiratet aus Ärger
    Den ersten besten Mann,
    Der ihr in den Weg gelaufen;
    Der Jüngling ist übel dran.
    Es ist eine alte Geschichte,
    Doch bleibt sie immer neu;
    Und wem sie just passieret,
    Dem bricht das Herz entzwei
    Ich kannte die Zeilen. »Heinrich Heine«, sagte ich. »Ein Jüngling liebt ein Mädchen. Geht um unerwiderte Liebe.«
    Der Kommissar nickte bedächtig. »Sieht aus, als ob ihr das Gedicht wichtig war, sonst hätte sie es nicht aufgeschrieben.«
    »Soll das ein Abschiedsbrief sein?«, fragte ich verwirrt.
    »War Ihre Freundin denn in einen anderen verliebt?« Der Hauptkommissar hatte wieder Stefan im Visier.
    »Natürlich nicht.« Stefans Stimme war ganz brüchig. Aber er sah dem Kommissar nicht in die Augen und – ich konnte mir nicht

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