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Villa Oma

Villa Oma

Titel: Villa Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Kleberger
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nicht wieder etwas anstellst.“ Er rief den Kindern zu: „Sagt den Eltern von dem Jungen Bescheid!“
    Dann zerrte er Alfred hoch und ging mit energischen Schritten, Peter rechts und Alfred links am Arm haltend, auf die Wache zu. Peter schwieg. Er sagte keinen Ton und dachte nicht daran, sich zu verteidigen; wenn der Polizist glaubte, daß er etwas Böses getan hatte, dann sollte er nur dabei bleiben. Am schlimmsten aber hatte es ihn getroffen, daß der Wachtmeister gesagt hatte, er wäre ein kleiner Junge, er, der beinahe mit dem starken, gefährlichen Alfred fertiggeworden war. Er war zornig und unglücklich, brachte es aber fertig, nicht zu weinen, weil er an seinen Bruder dachte, der auch nicht geweint hatte, als er abgeführt wurde.
    Peter mußte sich auf einen Stuhl im Amtsraum setzen. Es war ihm nun doch ein wenig unbehaglich zumute. Hoffentlich holten die Kinder Oma und nicht die Eltern. Mutter würde sich nur aufregen und Vater doch vielleicht böse sein, daß er sich mit dem Trinker eingelassen hatte. Aber Oma würde ihn verstehen. Sie würde wissen, daß er Peppino helfen mußte. Sie hätte, wenn sie dabei gewesen wäre, geholfen, Alfred zu verprügeln. Sie hätte mit ihrem Regenschirm auf ihn eingeschlagen, daß Alfred Hören und Sehen vergangen wäre. Peter merkte plötzlich, daß ihm die Schulter unerträglich schmerzte und daß er nur auf einem Auge sehen konnte. Er stand leise auf und schaute in einen kleinen Spiegel, der an der Wand hing. Sein rechtes Auge war blau und zugeschwollen.
    Der Wachtmeister blickte auf. „Ja, sieh dich nur an“, brummte er, „der Kerl hätte dir alle Knochen im Leibe brechen können. Und was wäre dann gewesen? Alle Welt würde sagen, daß ich nicht richtig aufgepaßt hätte, wenn so etwas im Dorf passiert. Ich muß hier für Ordnung sorgen. Und deshalb muß ich deine Eltern sprechen, damit sie aufpassen, daß du nicht wieder so etwas anstellst. Es stimmt doch, was mir die Gemüsefrau gesagt hat, daß du den Kerl zuerst angegriffen hast?“ Peter nickte, und der Wachtmeister machte sich wieder daran, den Vorfall in ein dickes Buch zu schreiben. Plötzlich ging die Tür auf. Peter atmete auf. Oma stand im Raum. Sie blickte sich um und kam dann, ohne „Guten Tag“ zu sagen, auf Peter zu. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und blickte ihn kritisch an. Mit ihren sanften Händen betastete sie seine Schläfe und das Auge, dann die Schulter.
    „Beweg mal den Arm“, sagte sie.
    Peter bewegte ihn auf Omas Geheiß vorwärts und rückwärts. Es tat weh, aber es ging. Oma betastete die Schulter, drückte hier und da und sagte schließlich:
    „Gott sei Dank ist nichts gebrochen!“ Dann wandte sie sich dem Polizisten zu. Der sah sie betreten an.
    „Du liebe Zeit, gnädige Frau, ist das etwa auch ein Enkel von Ihnen?“ fragte er. „Wie kommt eine so vornehme, alte Dame zu solchen Enkeln? Ja, ja, die Jugend von heute taugt nicht viel und gerät oft so ganz anders als ihre Eltern und Großeltern.“
    Hier schnitt ihm Oma das Wort ab. „Die Jugend von heute ist auch nicht schlechter als wir es waren. Manchmal ist sie sogar äußerst wohlgeraten, wie dieser Knabe hier.“ Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Peter, der sich vorkam, als bekäme er den Ritterschlag. „Ich glaube, daß ein Junge, der sich mutig für ein armes, gequältes Tier schlägt, gar nicht besser geraten sein kann. Oder was denken Sie?“
    Der Polizist sah sie unsicher an. „Ein Tier, welches Tier?“ Oma seufzte ungeduldig.
    „Haben Sie in Ihrem Diensteifer gar nicht gesehen, daß vor dem Wagen des Trinkers ein Esel stand, Herr Wachtmeister? Ein armes, altes Tier, das schwer mißhandelt worden war, für dessen Wohl dieser Junge hier seine Gesundheit und sein Leben — jawohl, sein Leben — riskierte. Ein solcher Junge scheint mir weniger ein Verbrecher als ein kleiner Held zu sein.“
    Peter und der Wachtmeister wurden rot, beide, weil sie sich aus ganz verschiedenen Gründen schämten. Oma kümmerte sich nun nicht weiter um den Polizisten, sondern nahm Peter am Arm. „Komm“, sagte sie und führte ihn nach draußen. Dort ließ sie ihn los, und das war gut so, sonst hätte er wieder das Gefühl gehabt, daß er abgeführt würde. Schweigend gingen sie nebeneinander her und sahen sich nicht an, denn es war sonst nicht Omas Sache, so große Worte zu machen.
    „Jetzt holen wir den Esel“, sagte sie schließlich.
    „Wo willst du mit ihm hin?“ fragte Peter.
    „Erst mal zu uns nach Hause“, sagte

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