Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Oberfläche Tiere durch den Körper des Dickichts streifen würden. Hier und da hatten sich winzige Knospen geöffnet und zarte Blüten in allen denkbaren Farben hervorgebracht.
Überall da, wo Lukaschik-J es für angebracht hielt, verstreute Lukaschik-A kleinere oder größere Portionen seiner Pülverchen. Hin und wieder streute er die Substanzen auf seine Handfläche und blies sie in das wohlgeordnete Durcheinander, das sich zu dieser Kuppel zusammengefunden hatte. An einigen Stellen steckte er geöffnete Phiolen so in das Gitterwerk, dass ihr Inhalt nach und nach ins Innere des Wesens hinausrieseln würde. Ich habe keine Ahnung, was ich hier mache, flüsterten seine Gedanken, aber er hörte ihnen einfach nicht zu.
Schließlich warf er all seine Klamotten zurück in die Schnellstraße, direkt vor die Räder des Fahrzeugs. Er setzte sich splitterfasernackt in die Mitte der Kuppel, wo er die – wie er hoffte – richtige Reaktion des Dickichts erwarten wollte. Er schaute nicht nach, was dort geschah, wo er seine Pülverchen ausgestreut oder gegen die Wände gepustet hatte. Es reichte, dass Lukaschik-J mit seiner feinen Nase bereits bemerkt hatte, wie sich die Dinge zu verändern begannen.
Es kam Lukaschik völlig natürlich vor, dass sein sechsbeiniger, fellbedeckter Körper so komplett die Kontrolle über ihn übernommen hatte. Es fühlte sich richtig an, und auch als er sich, damit er nicht fror, um seinen nackten menschlichen Körper wickelte, erschien ihm das sinnvoll und naturgegeben.
Irgendwann kam er auf die Idee, nach oben zu blicken. Von dort, aus der Dunkelheit am Zentrum der Kuppel, senkten sich mehrere grünschwarze Lianen herab. Sie würden ihn alle erreichen, wenn er dort sitzen blieb, wo er war.
Und er blieb natürlich sitzen.
Als das Ende der längsten Liane näher gekommen war, betrachtete er sie genauer. Je näher sie kam, desto dicker erschien sie; die Oberfläche der Schlingpflanze war nicht mehr geschlossen. Zahllose Lamellen hatten sich geöffnet und gaben so etwas wie ein Myzel frei, zahllose feine, fast durchsichtige Haare. Ein milchigweißes Gespinst, das auf Lukaschiks nackter Haut haftete und sein Fell durchdrang. Eine Liane nach der anderen erreichte ihn, und wo das Myzel ihn berührte, schien es wärmer zu werden. Es drang auch in ihn ein, ein sanftes, mild glühendes Vortasten, das sich nicht unangenehm anfühlte. Als Lukaschik aufblickte, sah er, dass man ihn neugierig anschaute. Ein paar dieser Wesen kannte er, und es gab Namen für sie, die ihm aber gerade nicht einfallen wollten. Andere hatte er noch nie gesehen, und er war sicher, dass er ihre Namen noch erfahren würde. Dieses Bild war das letzte, was er bewusst wahrnahm.
Alles war gut.
»Alles ist gut«, sagte Utur-92-mog und lud Will mit einem Winken ein, ihm in den hinteren Teil seines Büros zu folgen, zu der Tür, hinter der es einige Stufen hinunter ging. Dieser Raum schien so etwas wie ein Behandlungszimmer zu sein. Medizinisch wirkende, elfenbeinfarbene Geräte waren an den Wänden montiert, von der Decke hingen kompliziert aussehende Apparaturen, die man offenbar in alle möglichen Positionen bringen konnte, um Leuten in Körperöffnungen zu blicken.
Dieses leicht furchteinflößende Ambiente nahm Will nur am Rande wahr. Er starrte auf den Mann, der auf einer Art Operationstisch in der Mitte des Raumes lag. Es war unverkennbar Pak-46-erg. Oder was von ihm übrig geblieben war.
Will trat nahe an ihn heran und sah in das vertraute Gesicht. Die Augen waren offen, aber der Goldene sah ihn nicht an. Er sah überhaupt nichts an. Der Blick ging ins Leere.
»Ich glaube nicht, dass er mit Ihrem Gesicht noch einen Namen verbinden kann«, sagte Utur-92-mog.
Will antwortete nicht und betrachtete den liegenden Mann genauer. Er war selbstverständlich unbekleidet, wenn man die durchsichtige Folie nicht mitrechnete, die seinen Leib umspannte. Einige seiner goldenen Implantate waren noch da. Die meisten allerdings waren verschwunden und durch billige Plastikstücke ersetzt worden. Die steckten wie Fremdkörper in seiner Haut und sahen aus wie die Seife, die in Hotels ohne jeden Stern in fensterlosen Bädern liegt. Paks feister Leib erinnerte an einen gespickten Braten.
Utur-92-mog bemerkte den Blick des Administrators.
»Das sind Platzhalter«, sagte er. »Sie sorgen einerseits dafür, dass der für neue Implantate notwendige Raum im Körper nicht durch die natürliche Wundheilung verschlossen wird. Andererseits versiegeln
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