Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)
Sandaragaleezi Mornastan zum Verstummen.
Sergios nutzte die Gelegenheit, um ihm eine Frage zu stellen.
»Was wollen Sie denn auf Vilm? Was wollen Leute wie Sie auf dem Regenplaneten?«
Basileus Mornastan hustete. »Was ich will? Was für eine Frage! Mit dem göttlichen Gesandten sprechen natürlich.«
Sergios wandte sich zu dem Hochmeister um und schaute ihn fragend an.
Der breitete pathetisch die Arme aus, anstatt sich aus den fest geschnürten Gurten zu befreien.
»Ein Gewächs, das einen ganzen Planeten bedeckt. Ein Lebewesen, dessen Pupille der Äquator ist. Dessen Gedanken eine komplette Welt umspannen. Das kann keine Laune der Natur sein. Es ist ein Hinweis auf die alles entscheidende Perspektive.«
Basileus Mornastan hustete nochmals, und es klang gar nicht gut. Die Landung war vielleicht doch ein bisschen zu hart gewesen.
»Was die anderen betrifft ... ich möchte ja nichts Schlechtes über die übrigen Glaubensrichtungen sagen, die im Zentralrat der luciferantischen Bekenntnisse vertreten sind. Ganz zu schweigen von den alten Widersachern, den Päpsten. Aber da gibt es so viele, auf vielen verschiedenen Seiten, die in Vilm die verschiedensten Verheißungen erfüllt sehen. So oder so. Einige sehen in diesem Planeten, so albern es klingen mag, das Tor zum Untergang des Universums.«
Sergios spürte, wie seine Kinnlade nach unten sackte. Wie kam denn jemand auf so was? Das Gestrolch mochte faszinierend sein, rätselhaft und verschlossen ... Wer sollte das besser wissen als ein gewisser Thanassatrides? Aber der Untergang des Universums war dann doch ein bisschen zu viel.
Der Großmeister sprach weiter. Reden war seine Daseinsform.
»Andere spekulieren darüber, dass das Wolkengebirge selbst eine Gottheit wäre. Oder den direkten Zugang zu einer solchen gewähren könne. Wir haben gehört, dass selbst die Päpste untersuchen lassen, ob die Entität des Dickichts heiliggesprochen werden sollte. Andere glauben, dass das Supergestrolch der gewaltigste und leistungsfähigste Rechner des bekannten Kosmos wäre, und unübertroffen, weil nicht gebunden an das Diktat der Nullen und Einsen, nicht gefesselt an die Grundlüge des Wahr-oder-Falsch. Bestimmte Fraktionen, die es im luciferantischen Zentralrat schon immer schwer hatten, plädieren für die Exekution des Wesens, weil seine Existenz allein einen Gottesbeweis darstellen würde. Noch schlimmer sind die Wahren Menschen, die alle genetischen Verirrungen und Abarten des Homo Sapiens abschaffen wollen. Die werden sogar von den meisten Luciferanten bekämpft, seit sie dabei erwischt wurden, dass sie ein Killervirus entwickeln wollten, das alle erbgutmäßig veränderten Karnesen töten sollte. Wie man hört, wollen sie auch den Regenplaneten von den Verirrungen befreien, die der gewöhnliche Vilmer für sie darstellt. Und so weiter und so fort.«
Mornastan fummelte mit zittrigen Fingern an seinen Gurten herum.
»Ein Kirchen-Architekt will im Grunde des Gestrolchs das ultimative Gotteshaus errichten, so groß wie eine Stadt und mit einem Dach, das bis in den Weltraum hinaufreicht. Glücklicherweise reichen seine bisher eingesammelten Spendengelder bislang nicht einmal, um zu einer Ortsbesichtigung aufzubrechen. Und die Vertreter der Therolinguistik wollen die wippenden und strudelnden Bewegungen in den Sämlingslinsen als Kunstform entschlüsseln, vielleicht sogar als Sprache eines außerirdischen Wesens. Sie sind auf der Suche nach den Gedichten, die von den Ranken des Dickichts in die Luft geschrieben werden. Einige übergeschnappte Sedisvakantisten wiederum betrachten den heiligen Stuhl als verwaist, seitdem das Papst als ein Kollektiv zu Pontifices ernannt wurde, und wollen jetzt ernsthaft ein Gestrüpp zum neuen Papst machen.«
Der Hochmeister warf einen beleidigten Blick auf den Fingernagel, den er sich bei seinem ziellosen Herumgefummel an den straff sitzenden Gurten abgebrochen hatte.
»All das sind nur Versuche, uns von der einzig wahren Perspektive fernzuhalten«, murmelte Basileus Mornastan. »Alles Ablenkungsmanöver verblendeter Fanatiker, die keine Ahnung haben ...«
Er brabbelte eine lange Litanei von Verwünschungen herunter, während Sergios ihm half, sich von seiner Fesselung an den Sitz zu befreien. Der Hochmeister benutzte bei seinen Flüchen zahlreiche blumige Formulierungen, die für Sergios klangen, als seien sie schon oft geübt und auswendig gelernt worden. Die verschiedenen Fraktionen und Sekten der Luciferanten pflegten offenbar
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