Vintermørket
überredete. Der Mann hinter mir war nicht mehr Thore, wie ich ihn kannte. Er war anders geworden. Aus der Ferne bekam man so etwas Gravierendes wahrscheinlich nicht mit. Aber es jetzt zu merken …
Ich verdrängte die Traurigkeit, die mein Herz belagerte, mich in ein schwarzes Loch zog, in dem ich in Schmerz baden würde. Ich versuchte dagegen anzukämpfen. Aber ich wusste, dass ich letztlich machtlos war. Wie immer.
Ein letztes Mal streichelte ich Rex, gönnte mir diesen Augenblick. Ich wollte nicht gehen, aber ich musste. Schließlich stand ich langsam auf, putzte mir den Staub von der Hose und ging Richtung Ausgang. Kurz vor dem Tor blieb ich stehen und blickte Thore das erste Mal seit dem Vorfall im Bad an.
„Falls es so weit ist, sagst du mir bitte Bescheid?“
Er nickte als Antwort und presste die Lippen aufeinander. Es schien, als wollte er noch irgendetwas sagen, ließ es jedoch bleiben.
„Gut“, meinte ich und ging hinaus in die Dunkelheit.
***
Als der Rest der Familie wieder da war, verbrachte ich den angebrochenen Tag mit ihr. Sion, Lilian und Taith überredeten mich zu einem Gesellschaftsspiel, mit dem wir uns bis zum späten Abend beschäftigten. Irgendwann aßen wir Abendbrot und unterhielten uns danach bis in die Nacht. Auch Sorcha, Skor und Thore waren mit von der Partie, wobei Letzterer wieder dazu übergegangen war, mich zu ignorieren.
Als meine Augenlieder langsam schwer wurden, verabschiedete ich mich von der Familie, machte mich bettfertig und legte mich schlafen. Doch obwohl ich müde war, glitt ich nicht ins Traumreich über, sondern starrte in der Dunkelheit an die Decke.
Selbst als Thore nach mehreren Stunden das Zimmer betrat, war ich immer noch wach. Auf leisen Sohlen ging er durch den Raum, suchte etwas in seinem Schrank und fluchte kaum wahrnehmbar.
„Mach das Licht an, wenn du Nichts siehst. Ich schlafe noch nicht.“
Einen Moment später ging das Licht an. Thore war im Inbegriff sich das Holzfällerhemd über den Kopf zu ziehen. Ich wollte den Blick abwenden. Ich hatte es wirklich vor. Aber ich war neugierig. Wollte wissen, wie er nach all den Jahren aussah.
Der Anblick seines Rückens enttäuschte mich nicht. Er hatte breite Schultern, eine schmale Taille, eine ausgeprägte Muskulatur. Die Hose hing ihm auf halb acht, ließ die wohlgeformte Rundung seines Hinterns erkennen. Er sah gut aus. Maskulin. Er gefiel mir. Aber so wie alle Männer gehörte auch Thore zu der Sorte, die ich niemals bekäme.
Ich prägte mir seinen Anblick ein, verkniff mir ein Seufzen, drehte mich auf die Seite. Ich hatte genug gesehen, wollte mich nicht unnötig quälen und schloss die Augen.
Das Licht ging aus, auf der anderen Seite hörte ich die Bettdecke rascheln und schließlich ein schmerzerfülltes Stöhnen. Thore fluchte leise.
„Was ist los?“
„Geht dich nichts an“, wehrte er mürrisch ab. Ich kämpfte innerlich mit mir, ob ich ihn zur Rede stellen sollte, was seine Stimmungen betraf oder ihm gleich eine runter hauen. Letzteres war sehr verlockend.
„Was habe ich dir eigentlich getan, dass du mich hasst? Ich habe schon verstanden, dass du mich nicht hier haben willst. Aber wieso musst du es mich immer wieder spüren lassen? Ich habe dir nie etwas Böses gewollt …“ Ich schluckte den Rest hinunter. Von ihm würde so oder so keine Entgegnung kommen.
Ich behielt recht, schnaubte verächtlich und hoffte, dass ich schnell in einen traumlosen Schlaf fiel.
***
Rex ging es schlechter als gestern. Heute schaffte er es nicht einmal auf die Beine. Mit einem unterdrückten Seufzen ließ ich mich neben ihm nieder und streichelte ihn. Mein Blick verlor sich in der Ferne. Ich fühlte nichts. Vernahm nicht die Kälte, die um mich herum herrschte. Ich war taub.
Irgendwo pochte der Schmerz des Verlustes in mir. Gedämpft. Schwach. Ich ließ die Tatsachen nicht an mich heran. Ich wusste, was passieren würde, wenn ich das täte. Schwarzes Loch willkommen. Untergang vorprogrammiert. Es waren keine Depressionen, die ich hatte. Es glich eher chronischem Selbstmitleid, in dem ich badete.
Daniel hatte demnach recht. Ich war ein emotionales Wrack, das es nicht schaffte, sich vernünftig mit seinem Leben auseinanderzusetzen. Ich vergraulte die Menschen, die ich mochte, war letztlich immer alleine. Schönes Schicksal. Aber ich sollte mich nicht beklagen.
„Hey du.“
Ich zuckte zusammen, als eine
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