Violas bewegtes Leben
noch etwas zu erledigen haben. Ich werde mal sehen, ob ich noch mehr für dich herausfinden kann.
Ich habe Tag Nachmanoff sechs Mal im Gang gesehen und
zwei Mal beim Mittagessen – ein ziemlich guter Schnitt, schließlich ist er in der Oberstufe und ich bin nur eine normale Neuntklässlerin. Schreib mir mehr darüber, wie es bei dir
so ist!
Alles Liebe, Caitlin
Liebe Caitlin,
okay. Das ist so was von krass. Ich glaube nicht, dass es ein Stück Stoff ist oder ein Vogel. Ich schaue es mir immer wieder an, und es sieht eher wie eine Frau aus. Frag bitte Tante Naira, ob es nur ein Zufall ist oder ob der Geist wiederkommen wird, denn wenn sie noch mal auftaucht, bekomme ich bestimmt einen Herzschlag. Ich kann kein Salbei verbrennen – hier an der Schule sind nicht mal Duftkerzen erlaubt! Kann ich nicht einfach mit dem Salbei herumfuchteln, ohne ihn anzuzünden? Und ist es der gleiche Salbei, mit dem meine Mutter immer das Hähnchenfleisch würzt? Also so getrocknete grüne Blätter? Was Tag betrifft:
Hier gibt es keine Jungs, deshalb schaue ich mir ein paar Mal am Tag die Aufnahmen von ihm an, die ich bei der Schulwohltätigkeitsaktion gemacht habe. Hat er eine Freundin? Bitte finde es heraus. Andrew weigert sich, irgendjemand nach Tags Liebesleben zu befragen, was meine Recherchebemühungen so ziemlich zum Stillstand gebracht hat. Nur DU kannst Tags Privatleben auf den Grund gehen, und ich weiß, dass du dabei sehr diskret sein wirst. Halt mich auf dem Laufenden.
Liebe Grüße, Viola alias Violet Riot
Ich bin etwas spät dran, um meinen Stundenplan abzuholen, aber nicht so spät, dass es jemandem auffällt.
Die Schlangen in der Geier-Kirshenbaum-Aula sind lang. Die längste ist die für die Anmeldung zu den Spaßkursen: Bloggen leicht gemacht, TV & Ich, Von Lost in Space zu Lost und Grundlagen der Maskenbildnerei. Vermutlich kriegt man in allen ohne viel Aufwand eine Eins, aber das spielt keine Rolle. Man darf sich sowieso erst ab der zehnten Klasse anmelden. Die Kurspläne für die Schulanfänger wurden schon vor unserer Ankunft zusammengestellt. Jetzt müssen wir uns nur noch offiziell anmelden, und bis zum Mittagessen wissen wir dann, wann wir wo sein müssen.
»Was hast du für Fächer?« Eine ältere Schülerin nimmt mir den Computerausdruck mit meinem Stundenplan aus der Hand. Sie wirkt sehr Upper West Side Manhattan. Extrem lässig. »Super! Du hast Dr. Fandu in Gartenbau.« Sie flüstert: »Wir nennen es auch Schnarchkunde.«
»Toll.«
»Ich bin Diane Davis.« Sie streckt die Hand aus. »Ich habe gehört, du hast eine Videokamera und machst Filme.«
»Woher weißt du das?«
»Dein Profil.«
»Oh ja, natürlich. Hab ich ganz vergessen.« Ich könnte mir selbst in den Hintern treten, weil ich mich auf der Facebook-Seite der Schule eingetragen habe. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Die Seite ist zwar nicht öffentlich zugänglich, aber trotzdem öffentlich genug, dass Diane einen Blick drauf werfen konnte, um mich auf die Informationen anzusprechen, die ich dort angegeben habe.
»Wir könnten deine Hilfe für die Feier zum Gründungstag gebrauchen.«
»Gründungstag? Das klingt ja lahm.« Ich zucke mit den Schultern.
Diane wirft den Kopf zurück und lacht. »Es klingt schlimmer, als es ist. Wir könnten deinen Sachverstand brauchen.«
»Also gut, in Ordnung.« Ich willige ein, ihr zu helfen, habe aber das Gefühl, überrumpelt worden zu sein. Das Einzige, wofür ich mich offiziell angemeldet habe, ist der Pizza-Club.
»Ich schick dir eine Mail«, sagt sie und geht davon.
Marisol gesellt sich mit ihrem Stundenplan zu mir. Sie schaut auf ihre Kursliste, wo neben den Fächern in fetten Buchstaben die Bücher stehen, die dazu gebraucht werden. »Kommst du mit zum Buchladen?«
»Klar.«
Ich folge Marisol aus der Aula und die Treppe hinunter in den Keller zum Buchladen. Wir haben fast die gleichen Fächer, deshalb nimmt jede von uns vor dem Laden einen Plastikkorb und beginnt, ihn anhand des Unterrichtsplans mit den Büchern zu füllen, die wir brauchen.
»Ich weiß nicht, wie man das hier als Laden bezeichnen kann.Es ist ein Lagerraum voller Regale in einem Keller«, beschwere ich mich.
Marisol reicht mir eine Ausgabe von Gwendolyn Brooks – Die Gedichte und eine Anthologie der Schriftstellerin Rita Dove. »Und selbst die Taschenbücher sind teuer«, sage ich zu ihr. »Sie haben uns im Sack – wir müssen unsere Bücher hier kaufen. Wir können nicht ins
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