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Violas bewegtes Leben

Titel: Violas bewegtes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Trigiani
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machen ihr Gebäck selbst. Sie sind also fast wie selbst gemacht.«
    »Sie schmecken bestimmt himmlisch«, sagt Marisol.
    Marisol hat definitiv etwas sehr Liebenswertes an sich. Es braucht nicht viel, um sie zu erfreuen. Sie ist kein bisschen zynisch oder bissig, und allein das Wort Kekse genügt, um ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Ich wünschte, ich hätte auch so eine unendliche Fröhlichkeit in mir.
    Ich schreibe Grand zurück.
     
    Ich: Freue mich total auf die Kekse. Weißt du etwas über den
    Geist in Hamlet?
    Grand: Ich war mal die Ophelia in Cincinnati. Wunderschöne Produktion von Ed Stern.
    Ich: Super. Muss dich vielleicht nachher was dazu fragen.
    Grand: Jederzeit! XOXOX
     
    »Wer hat schon eine echte Schauspielerin als Großmutter?«, fragt Marisol. »Das ist so was von cool.«
    »Sie ist echt ’ne Type. Das sagt mein Vater immer über sie. Und ich fand das immer so lustig, dass er sagt: Grand ist eine Type und dann spielt sie auch noch verschiedene Typen auf der Bühne. Ist das nicht schräg?«
    »Ganz im Gegenteil! Das ist toll!« Marisol lächelt.
    »Sie ist auch schon am Broadway aufgetreten. Aber weißt du was? Ihr ist es eigentlich völlig egal, wo sie spielt, Hauptsache,sie kann auf der Bühne stehen. Sie liebt sogar die kleinen Produktionen, wo man nach Queens fährt und die Laderampe eines Lastwagens in eine Bühne verwandelt, und da tritt sie dann umsonst auf und rezitiert Monologe aus Klassikern. Sie ist echt für alles zu haben.«
    Wir gehen zur Mensa, während die Herbstblätter golden und rot um uns herum im Wind wirbeln. Sie rascheln unter unseren Füßen auf dem gewundenen Gehweg. Manchmal kann die PA richtig hübsch sein. Wie jetzt. Es ist Dämmerung, und das ganze Schulgelände wird in ein dunkelblaues Licht getaucht. Die Lichter aus dem Wohnheim funkeln in der Ferne wie Sterne. Die Luft ist frisch und riecht nach süßer Vanille.
    Ich habe Glück, dass ich fast alle Fächer gemeinsam mit Marisol habe. Ich glaube, sie haben absichtlich ein Mädchen aus Brooklyn mit einer Mexikanerin zusammengesteckt. Wegen der kulturellen Vielfalt und so. Marisol und ich haben uns schon darüber unterhalten.
    Marisol vermisst Richmond sehr und ihre Großmutter, die in Mexiko lebt. Es ist hart für sie, jetzt, wo die Tage kälter werden. Sie ist eher so ein Sonne- und Hitze-Typ, deshalb ist es ja so verrückt, dass sie sich unter allen Internaten ausgerechnet das hier im eiskalten Indiana ausgesucht hat. Mir macht der Winter nichts aus und der Herbst schon gar nicht, weil das nur bedeutet, dass die Weihnachtsferien bald kommen, in denen ich meine Eltern sehen werde und meine Freunde und Sesamnudeln essen kann, bis ich platze.
    Wir vergraben die Hände in den Taschen und folgen dem Weg. »Glaubst du an Geister?«, frage ich Marisol.
    »Ich weiß nicht. Du?«
    »Auf jeden Fall. Meine Freundin Caitlin Pullapilly sagt, es gibteine regelrechte Hackordnung in der Geisterwelt. Sie haben Bilder und so. Sie ist ein Hindu.«
    »Cool.« Marisol zuckt mit den Schultern.
    Ich habe nicht mehr groß an Geister gedacht seit der ersten Nacht, als ich meine Filmaufnahmen anschaute und die rote Frau entdeckte. Komisch. Wenn so was passiert und man es sich nicht erklären kann, schiebt man es in seinen Gedanken beiseite, und dann, während die Tage vergehen, verblasst die Erinnerung allmählich. Jetzt frage ich mich, ob das alles überhaupt passiert ist. Vielleicht habe ich es mir wirklich nur eingebildet.
    Ich war so was von durch den Wind an diesem ersten Tag – wahrscheinlich hat mir meine Einbildung einen Streich gespielt. Jedenfalls habe ich entschieden, dass ich kein sehr spiritueller Mensch bin. Ich weiß nicht viel über andere Welten, Zeiten und Orte – obwohl ich mir irgendwie wünsche, so etwas würde es wirklich geben. Denn das würde bedeuten, dass die Zeit, wie ich sie kenne, nicht wirklich existiert, dass meine Mutter und mein Vater nicht auf der anderen Seite der Weltkugel sitzen, dass Tag Nachmanoff nicht zu alt für mich ist und dass die Zeiger an der Uhr sich so schnell drehen, dass ich fast schon wieder zu Hause an der LaGuardia Highschool und in meinem alten Leben bin.
    »Kann ich dir was sagen?« Marisol zieht sich die Mütze über die Ohren.
    »Klar.«
    »Ich hasse Shakespeare.«
    »Ich auch«, gestehe ich. »Warum müssen wir uns im Unterricht damit herumärgern?«
    »Weil er ein Klassiker der Weltliteratur ist.«
    »Wer sagt das?«
    »Alle. Ich meine, an jeder Schule wird Shakespeare

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