Violas bewegtes Leben
auf alle Fälle den Ausstellungskatalog kaufen«, sagt Romy. »Komm mit. Du brauchst ihr Foto.«
Wir ziehen los zum Museumsshop. Ich drehe mich noch einmal zu May um. Ich könnte schwöre, sie lächelt mich fast erleichtert an. Aber das könnte auch reine Einbildung sein.
Ich glaube, ich hatte noch nie so viel Spaß an einem Feiertag wie bei den Vorbereitungen für das Thanksgiving-Essen bei den Santrys. Es wird viel gelacht in diesem Haus, trotz Mr. Santrys Krankheit. Wenn mein Vater so krank wäre, würde ich Tag und Nacht weinen, doch die Santrys sind da anders. Sie sind aus härterem Holz geschnitzt als wir Chestertons, so viel steht fest.
Mrs. Santry lässt Marisol und mich Kartoffeln schälen, Süßkartoffeln für die Gemüsebeilage und normale für Stampfkartoffeln mit Butter. Wir sitzen auf der mit Fliegengitter verkleideten Veranda vor der Küche. Mrs. Santry hat Zeitungspapier auf dem Boden ausgelegt, für die Kartoffelschalen. Ich bin ziemlich fix im Kartoffeln schälen, aber Marisol ist die reinste Maschine. Sie schneidet überall gleichmäßig dünn die Schale ab, ohne mal versehentlich ein größeres Stück zu erwischen. Und sie ist blitzschnell.
»Alles klar bei euch?« Joe, der ältere Santry-Bruder steckt den Kopf durch die Tür. Auch er ist zu Thanksgiving nach Hause gekommen. Während Kevin auf Collegestudenten-Art gut aussieht, sieht Joe auf männliche Art gut aus. Er hat dunkelbraunes Haar und blaue Augen und sieht Mr. Santry sehr ähnlich. Er ist kein bisschen genervt von uns Mädchen (Kevin auch nicht) und interessiert sich aufrichtig dafür, woher wir kommen und was wir machen.
»Alles bestens!«, entgegnen Marisol und ich übereinstimmend. Joe geht in die Küche zurück.
»Also, ich finde, er sieht zehnmal besser aus als Kevin«, flüstert Marisol.
»Weißt du, ich finde es so schwer, mich nicht in jeden älteren Jungen zu verlieben, den ich sehe. Geht es dir nicht auch so?«
»Nicht wirklich. Ich bin eben wählerisch.« Marisol sticht mit ihrem Kartoffelschäler eine braune Stelle aus. »Und außerdem habe ich Angst vor ihnen.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass ich keine Angst habe. Ich finde nur, dass sie alle so gut aussehen. Und es ist so einfach, mit ihnen zu reden.« Ich denke an Tag Nachmanoff, der wie Joe und Kevin so unglaublich locker ist – Punkt. »Wenn man mitJungs in unserem Alter spricht, gibt es ständig so Gesprächspausen. Ich glaube fast, mit denen stimmt was nicht.«
»Und das aus dem Mund von einem Mädchen, das einen Freund hat«, neckt Marisol.
»Jared ist nicht mein Freund. Ich kenne ihn noch gar nicht richtig.« Ich bin zwar gerade dabei, ihn kennenzulernen, aber das will ich Marisol nicht unbedingt unter die Nase reiben, die sich auf der Party, abgesehen von unserer Polonaise, furchtbar gelangweilt hat. Ich muss mich immer wieder ermahnen, daran zu denken, dass nicht jedes Mädchen auf der GSA-Party einem süßen Jungen begegnet ist und ihn drei Mal geküsst hat. Ich hatte einfach Mordsglück, wie ein Regenbogen am Himmel über Indiana nach einem dieser fiesen Herbststürme. Ich mag es nicht anzugeben und wegen Jared würde ich sowieso nicht prahlen – immer wenn ein Junge ein Mädchen mag und sie ihn auch gut findet, ist das eine ziemlich heikle Sache.
Ich schaue durch das Fenster in die Küche, wo Romy Kevin dabei hilft, Apfelküchlein zu machen. Sie schwebt im siebten Himmel. Kevin unterhält sich auch gerne mit ihr, aber er benimmt sich dabei eher so, als würde er mit einer kleinen Schwester reden. Romy stört das nicht. Sie genießt Kevins Aufmerksamkeit, egal, wie sie gemeint ist.
»Wie geht’s Romy?«
»Gut. Sie ist aufgedreht und voll dabei und es sieht ein bisschen so aus, als würden sie zusammen eine Kochsendung machen«, sage ich.
»Glaubst du, er mag sie?«, fragt Marisol.
»Kann sein, dass er sie süß findet, aber hey – er geht aufs College«, erinnere ich Marisol. »Das wird nichts mit den beiden.«
»Jetzt vielleicht nicht. Aber sie bleibt nicht ewig vierzehn. Undbeide interessieren sich für Sport«, sagt Marisol ganz sachlich.
Suzanne schiebt ihren Vater in die Küche, die sich in eine Backstube verwandelt hat, und zum Tisch. Mr. Santry legt zwei Stücke weiche Butter in eine Schüssel und fügt einige Handvoll Walnüsse aus einer Plastiktüte hinzu. Suzanne wiegt braunen Zucker in die Schüssel ab, und Mr. Santry streut noch Zimt darüber.
»Suz, mach noch etwas Sahne warm. Etwa drei Tassen«, sagt er.
Kurz darauf
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