Violas bewegtes Leben
rauszukommen.
»Meine Eltern fliegen nach Mexiko, um die Feiertage bei meiner Großmutter zu verbringen. Sie fürchten, es könnte ihr letztes Weihnachten sein.«
»Und dich lassen sie hier?« Ich bin entsetzt.
»Wenn sie nach Mexiko zu meiner Großmutter fliegen, können sie es sich nicht leisten, mir auch ein Flugticket zu bezahlen. Deshalb habe ich freiwillig angeboten hierzubleiben, weil ich wusste, dass es dann leichter für sie ist.«
Die Vorstellung, dass Marisol in den Weihnachtsferien in der Schule festsitzt, bricht mir fast das Herz. »Ich habe eine Idee!Du kommst mit zu mir. Meine Eltern sollen einfach mit dem Auto herkommen und uns abholen.«
»Meinst du?« Ein zaghaftes Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht.
»Meine Eltern sind total flexibel. Sie fänden es bestimmt toll.«
»Meine Eltern würden sich so freuen, wenn ich Weihnachen nicht alleine wäre.«
»Dann ist das abgemacht.«
Während Marisol und ich den Rest der Girlande aufhängen, erzähle ich ihr alles über New York. Sie war noch nie dort, und hey, das wird die Reise ihres Lebens werden. Wartet nur, bis sie das Empire State Building und den Hudson River und die Weihnachtsdekoration der großen Kaufhäuser sieht. Ich werde sie zu einer Nussknacker-Aufführung am New York City Ballet mitnehmen! Sie wird gar keine Zeit haben, ihre Eltern zu vermissen. Das wird ein einziger, riesiger Spaß.
Die Arbeitstische im Medienzimmer des Hojo-Baus sind lang und tief. Suzanne, Romy und Marisol sitzen mir gegenüber, während ich ihnen meinen Plan darlege, einen Film über May McGlynn zu drehen.
»Ich möchte euch allen danken, dass ihr euch trotz eurer vollen Stundenpläne die Zeit genommen habt, mich hier zu treffen.«
»Lass den Blödsinn, Viola. Wir sind’s nur.« Suzanne öffnet ihr Heft.
»Oh, entschuldigt.«
»Warum haben wir uns nicht in unserem Zimmer getroffen?«, beschwert sich Romy. »Dort hätte es was zum Knabbern gegeben.«
»Nein, ich wollte das hier … möglichst professionell machen«,erkläre ich ihnen. Ich gebe jedem der Mädchen ein Exposé von dem Film, den ich machen und bei dem Schüler-Filmwettbewerb einreichen möchte. Seit Jared mir davon erzählt hat, habe ich dauernd über mein Thema nachgedacht.
Während die Mädchen lesen, trommel ich nervös mit meinem Bleistift auf den Tisch. Ich schaue auf den Schulhof hinaus, wo eine Gruppe von Zehntklässlerinnen gerade von einer Schneeschuhtour in dem großen Wald hinter unserer Schule zurückkehrt.
»Gut.« Suzanne lässt das Blatt sinken.
»Ich bin fertig«, sagt Marisol.
»Ich auch.« Romy schaut mich an.
»Und was haltet ihr davon?«
»Eine Lebensgeschichte, die wirklich alles hat. May ist ein junges und wunderschönes Filmsternchen«, sagt Marisol. »Dann schlägt das Schicksal zu.«
»Sie stirbt jung«, sage ich. »Okay, ich habe mir Folgendes überlegt: Sie erzählt ihre Lebensgeschichte am Ort des Unglücks.«
»Cool. Das gefällt mir«, sagt Romy.
»Ich führe Regie und filme mit meiner Kamera. Ich brauche eine Produzentin, die sich um das Budget kümmert. Ich brauche eine Bühnen- und Kostümbildnerin und ich brauche Schauspieler. Und da kommt ihr Mädels ins Spiel …«
»Ich weiß nicht, inwieweit ich dir helfen kann. Ich bin absolut nicht künstlerisch begabt«, sagt Romy.
»Das musst du auch nicht. Der Produzent ist für das Budget zuständig. Und in Mathe bist du richtig gut.« Ich gebe Romy einen Umschlag. »Meine Mutter hat mir das Budget für einen Kurzfilm als Vorlage geschickt, und vielleicht kannst du nachdiesem Muster auch eines für mich erstellen. Ich werde den Film zwar auf Video drehen und auf meinem Computer schneiden, aber es ist Teil des Wettbewerbs, dass man ein Budget vorlegen muss.«
»Okay. Das bekomme ich hin.« Romy öffnet den Umschlag und faltet das Blatt auseinander.
»Und Marisol, du hast ein gutes Auge. Ich dachte, du könntest die Kostüme und die Kulissen machen. Mrs. Hawfield von der Requsite hat gesagt, du kannst dir alles holen, was du brauchst. Hier ist die schriftliche Genehmigung.«
»Klingt super.«
»Und was ist mit mir? Mach ich das Popcorn für die Premiere?« Suzanne lacht.
»Nein, du spielst May McGlynn.«
»Das tote Mädchen? Cool!« Suzanne klatscht Romy ab. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einem Film mitspiele.«
»Die Dreharbeiten beginnen am ersten Februar hier auf dem Campus. Der Abgabeschluss für den Wettbewerb ist der 10. März, und ich dachte, wir filmen drei Tage, dann habe ich
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