Violett ist erst der Anfang
sich auf die Unterlippe.
»Hab ich was Blödes zu dir gesagt? O-Oder gar … ge-getan?«
»Ewa Bogacz in die Maske! Ewa Bogacz, bitte«, riss eine blecherne Lautsprecherdurchsage sie beide aus der Rekonstruktion des Abends. Unsanft, aber berechtigt. Sie waren hier ja nicht zum Privatvergnügen, selbst wenn es sich gerade verdammt danach anfühlte. Ewas warme Hände ruhten noch immer in Jules.
»Ich … also …«, setzte Ewa an und verstummte.
»Du musst los. Hab’s gehört.«
»Ja. Wir …«
»Reden später weiter?« Jule drückte kurz Ewas Hand und gab sie frei.
Ewa nickte und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, das Jule nur zu gerne erwiderte. Alles im Lot. Eine Aussprache war besiegelt. Ob diese jetzt oder später stattfand – machte das einen Unterschied?
In ihrer Garderobe feilte sich Jule akribisch die Nägel, mistete ihre Handtasche aus und faltete alte Kassenbons zu Papierschiffchen. Aus den Polsterritzen des Kuschelsessels puhlte sie Krümel und reinigte den Spiegel über dem Schminktisch mit hauchendem Atem und Pullover-Ärmel. Immer wieder schielte sie aus dem Augenwinkel zur Wanduhr. Warten. Ruhig bleiben. Es gelang ihr nicht. Sie war verwirrt. Sonderlich verliebt hatte Ewa nicht gewirkt. Verknallte Menschen säuselten rum, bombardierten das Objekt der Begierde mit Rosen, Kosenamen oder wahlweise auch erotischen Sauereien, aber doch bitte nicht mit: Ich wollte Wasser von dir. Frauen. Versteh die mal einer. Oder lief Ewa vor ihren eigenen Gefühlen davon? Gut möglich. Als Viola leugnete sie ihre keimende Liebe zumindest pausenlos, vielleicht färbte das ab. Verzwickt. Jule erhob sich ächzend aus dem Sessel. Ich habe dich geküsst, Bogacz, also schiel verzückt, verflucht. Warten. Gleich würden sie beide reden, und Frau B. würde gestehen. Oder alles abstreiten? Nix da. Jule würde die später festnageln mit erdrückenden Beweisen. Und von denen brauchte sie mehr, noch mehr, sicher war sicher.
Entschlossen nebelte sich Jule Parfüm auf den Hals, warf ein Pfefferminzbonbon ein und eilt los. Studio Neun. Kulisse Café Butterblume . Pfff, Sperrmülloase in durchgängigem Kotzgelb traf es eher. Windige Bistrotische wurden flaniert von wackeligen Klappstühlen. An den Wänden wellten sich aufgeklebte Retro-Blumenranken, und der mintgrün lackierte Tresen aus Pressspan wirkte nur aus einem Grund anziehend – weil sich dahinter Schnapsflaschen bunt aneinanderreihten, effektvoll auf gläsernen Regalen. Hippes In-Café in einer Großstadt. Wer’s glaubt.
Jule scannte kurz die Lage. Überall geschäftiges Gemurmel und Gewusel. Die fünf Standardstatisten waren bereits auf Position, rührten in ihren Tassen und kauten Salzstangen. Der Dreh musste gleich losgehen. Jule fühlte sich wie ein Stalker und wusste nicht so recht wohin mit sich, bis …
»Hey, willst du dir das Drama live reinziehen?« Grinsend gesellte sich Tom zu ihr.
Ach ne, der sommersprossige Kabelträger hieß nich Tom, sondern anders, aber wurscht. Doch was meinte der mit Drama? Im Kopf ging Jule das Drehbuch durch. Alarmstufe rot! Wie hatte sie das nur verdrängen können? Babett hatte eine Nummer mit Nick geschoben und Viola erfuhr davon, jetzt, in diesem Moment, durch ihre petzende Kollegin Franzi. Hurgx. Ab dann herrschte Eiszeit. Viola machte dicht und ging Babett erst recht aus dem Weg. Das müssen wir privat besser hinkriegen, Ewa. Bitte kein Drama.
»Was willst du, Jule?« Dieser Tim ließ nicht locker und schnupperte. »Was riecht hier so gut? Bist du das?«
Dein Achselschweiß scheidet schon mal aus, Burschi. Trotzdem gab sich Jule einen Ruck. Wenn sie diesem Finn ein Gespräch reindrückte, fiel sie wenigstens nicht weiter auf. Zuckerzauberhaft-Modus an, lächeln, lächeln, lächeln. Sie quatschte irgendwas zusammen, dieser Kim auch, während sie über seine Schulter hinweg auf Zehenspitzen die Meute absuchte. Neben Kamera Zwei blitze kurz ein blonder Schopf auf. Wie zufällig trat Jule einen Schritt nach rechts. Hach. Ewa bekam letzte Anweisungen von Siggi, nickte, sah auf und … Jules Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln und ihre Hand schnellte hoch zum Gruß, ein winkendes Hallo aus der Ferne. Ewa schien … überrascht. Irritiert? Gezupfe am Ohrläppchen, klares Indiz für freudig erregt. Leichtes Zucken im rechten Mundwinkel. Sie kommt. Zu mir. Jules Lächeln wurde breiter. Du willst mich, Bogacz, mach mir nichts vor. Du …
»Hier!« Dieser Torben reichte Jule ein Kaugummipapier, beschriftet mit
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