Violett ist erst der Anfang
schnippte auf den Startknopf und der Trockner brummte eintönig los, wie meditativ, ooommm.
Ewa, Ewa, Ewa … Wie absurd diese Situation war. Nur weil sie beruflich ein Paar spielten, wechselten sie doch nicht automatisch auch privat das Ufer. Oder stand Ewa auf Frauen? Unsinn. Wie eine Lesbe sah sie nicht aus. Wie sieht eine Lesbe denn aus, Schweitzer? – Ja, keine Ahnung! Kurze Haare, klein, stämmig und … Ups. Jule wurde heiß. Ach ne, dann hätte sich Frau B. während des Interviews besser auskennen müssen mit diesem Homo-Transkram. Blieb noch Variante bi, so ein bi-bisschen lesbisch. Grübelnd kehrte Jule zurück auf die Couch, inhalierte noch eine Ladung Ewa-Meer, und auf einmal puzzelte es los in ihrem Hirn. Das Bild nahm Kontur an.
Die Bogacz war verknallt. Verknallt in sie, es ging nicht anders. Ewa tatschte doch ständig an Jule rum. Ewa hatte den Abend hier angezettelt, ein Besäufnis, na klar, damit sie beide sich enthemmt vom Alkohol näherkamen. Deshalb auch dieses penetrante Nachgebohre. Hast du einen Freund, bist du verliebt, verdammt, wie blind war Jule denn gewesen? Lule, wir zschwei, wir bleiben imma zuschammen. Imma. Wie Violett. Ging eine gelallte Liebeserklärung noch deutlicher? Betrunkene Kinder sagen immer die Wahrheit. Ewa war gerade mal Mitte zwanzig, quasi süß und unschuldig, äh, wohl eher nicht. Küssen konnte sie hervorragend. Jules Lippen brannten vom feurigen Kuss. Unglaublich. Prüfend tupfte sie mit dem Zeigefinger ihren Mund längs. Dieses Kribbeln, das hielt jetzt schon seit Stunden an. Ewa musste sie wirklich innigst lieben. Der Moment im Taxi war ihre letzte Chance gewesen für eine Annährung, und Ewa hatte sie ergriffen, hossa, und wie. Summend riss Jule die Grissini-Packung auf und kaute an einer Stange. Ewa will mich. Wie unwirklich sich das anfühlte, doch auch sonderbar leicht und tröstlich und … pfui, Pappe! Sie würgte an staubtrocknen Krümeln, ihre Hand ging zum halbgefüllten Longdrinkglas auf dem Couchtisch, Wasser marsch, sie leere es ohne abzusetzen und hust, prust, röchel. Jule würgte weiter, an polnischem Brennstoff.
KAPITEL 4
Verkatert schleppte sich Jule am nächsten Tag zum Studiogelände. Die Bilanz der Nacht? Dank Fingernachhilfe einmal gekotzt, zwei Liter Wasser auf ex, drei Schmerztabletten eingeworfen, und ihr Kopf fühlte sich dennoch an, als hätte sie ihn im Akkord gegen einen Betonpfeiler gehämmert. Schubrrr wurde nicht ihr Freund. Abgesehen davon? Lief es.
Vormittags war Ewa im Tonstudio. Die arme Maus. Jule dachte pausenlos an sie. Liebeskummer. Ein Schädel-Herz-Trauma, und ich bin daran schuld. Wie lange mochte Ewa schon darunter leiden? Stopfte sie deshalb bei jeder Gelegenheit Süßkram in sich rein? Schokolade als Kummerkiller. Die Beweise verdichteten sich mit jedem Gedanken mehr, und Jule staunte angesichts so viel Tapferkeit. Jeden Tag präsentierte sich Frau B. am Set als Sonnenschein, während unter dieser Tarnung die Gefühle brodelten, Ewa Nähe suchte und sich verzehrte vor brennender Sehnsucht. Ein Mix aus Schweben und Sterben, Jule wünschte ihn niemandem. Höchstens einer Handvoll Menschen, aber gut, die würde sie auch vor einen Bus schubsen. Ewa dagegen wollte sie nicht verletzen. Im Kopf spielte Jule immerzu das Liebesdilemma durch, nach außen hin spielte sie mal wieder irgendwas zusammen. Bis Siggi sie beiseite zog.
»Jule, bei allem Respekt.« Der Regisseur räusperte sich und kratzte sich im Bart herum. »Du siehst heute aus wie dreißig.«
»Ich bin dreißig.«
»Aber als Babett brauchen wir dich jünger. Diese Ringe unter deinen Augen, gruselig. Hast du gestern gesoffen? Du zitterst rum, vernuschelst jede Zeile und vergisst obendrein die Hälfte. Was soll das?«
»Ich spiele, Siggi.«
»Ja. Schrott.«
»Genau. Babett kokst.«
Ende der Durchsage. Und siehe da, fortan lobte Siggi angefixt ihre realistische Auslegung einer Süchtigen. Na bitte. Lief wie gesagt. Jule auch, nämlich innerlich Amok. Auf Dauer hielt sie Ewas Liebeskummer im Kopf nicht aus. Sie mussten reden, Karten auf den Tisch. Und dann … Herrgott, weiß ich doch nicht! Bei schwärmenden Frauen fehlten Jule schlicht Erfahrungswerte. Das wurde ihr bewusst, als sie in einer Pause vor dem Tonstudio wartete. Das Leben, es reiche mir ein Drehbuch. Kacke. Geistig durchforstete sie die bisherigen Violett-Momente, doch da konnte sie nichts klauen. Babett war bi und ein Biest. Jeder Satz von der war gespickt mit Anzüglichkeiten. Die redete
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