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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Fenster. Hätte sie spontan auch nicht überrascht, so tief und fest und wundervoll, wie sie diese Nacht anscheinend geschlummert hatte.
    »Erst?« Ewa klang irritiert. »Hör mal, wir waren längst Gassi. Einmal runter zum Hafen, an der Elbe entlang. Eine Stunde hin, eine Stunde zurück. Herrlich, super Wetter. Danach war ich mit Piotr kurz im Baumarkt. Neues Regal fürs Wohnzimmer. Echt schick. Haben wir gleich zusammengeschraubt und lackiert und …«
    »Cut!« Ächzend hielt sich Jule den Kopf. Maulkorbpflicht für Lerchen – gebt her, die Petition, ich unterschreib sofort.
    »Sag mal Jule, geht es dir eigentlich gut?«, fragte Ewa mit vorsichtigem Ton und strich ihr über die Stirn.
    »Und wie«, lautete die fröhliche Antwort von Jule, und sie lächelte, äh, stutzte. »Stimmt. Sekunde. Warum eigentlich? Macht das Sinn?« Hatten sie nicht gestern halb Polen leergetankt? Und nun gab es keine Ausfälle, keine Kopfschmerzen, keinen Kater? Bitte einmal kneifen. Träum ich noch?
    Ewa gluckste. »Geheimrezept von Alicja. Was auch immer sie in ihren Zaubertrank mixt, er wirkt Wunder.«
    »Und den …« Jule massierte sich die Schläfen. »Den hab ich … gestern etwa noch getrunken?«
    »Du hast einen Filmriss?«
    »Ne. Also nicht direkt, glaub ich.« Jule grübelte. Irgendwie schien noch alles da, von A wie Anschiss bis hin zu Z, die Zungenküsse auf dem Küchentisch. Das Gesamtbild glich nur einem Mosaik. Lauter bunte Bruchstücke, aber kein Teil hing so recht und nahtlos am anderen. Eine komplett geschwärzte Passage gab es allerdings. Das Ende des Abends, und in ihrer Erinnerung tat sich ein riesiges Fragezeichen auf. Wie war sie hier im Bett gelandet? Und … Scheiße! Ihr wurde schlagartig heiß und mulmig zugleich. »Süße, ist etwa … noch was gelaufen, zwischen uns?« Welch entsetzlicher Gedanke. Ihr erstes Mal, und sie hatte hackedicht kein einziges Detail mitgeschnitten.
    »Jule, keine Panik. Ich hab dich nicht angefasst.«
    Halleluja, ich bin noch violette Jungfrau.
    »Na ja, okay. So ein bisschen natürlich schon«, gestand Ewa kleinlaut, und ihre Ohren glühten los.
    Fräulein, man befummelt keine vollgesoffene Lady. Ach egal. Zu spät für Knigge. »Und? Wie war ich?«
    »Zum Verlieben, Jule.« Ewa strahlte, legte ihre Hände in Jules Nacken, zog sie an sich und verschloss ihr die Lippen mit einem langen, zärtlichen Kuss. Verstrahlt schmiegten sie ihre Köpfe aneinander, so nah, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
    Gratuliere, Schweitzer. Dein A-Körbchen kommt an. In der Tat. Oder warum sonst schielte Ewa ihr immerzu auf die Brust?
    »Ich … äh … hab da noch was für dich, Jule«, meinte Ewa irgendwann und wuschelte sich verlegen durchs Haar.
    Yay, Frühstück ans Bett. »Lass mich raten. Croissant? Großer Milchkaffee, O-Saft, weiches Ei, eine Körnersemmel mit einem Klecks Kirschmarmelade, Scheibchen Melone dazu und …«
    »Steht auf meiner Stirn irgendwo klein Zimmerkellner?«
    Welch fiese Frage an eine Frau, die akut noch keine Brille aufhatte. »Keine Ahnung?«
    »Bedeutet, du hast Hunger?«
    »Perspektivisch … äh, schon. Ja. Egal.« Jule setzte sich auf und blickte ihre Freundin erwartungsvoll an. »Sprich. Was ist es?«
    Ewa zögerte. Dann griff sie neben sich, hob etwas vom Fußboden, hielt noch einmal kurz inne und überreichte Jule schließlich eine Rose. Langstielig und so rot wie ihr Gesicht. Jule schluckte schwer. Ach du liebes bisschen. Auf Romantik war sie akut so gar nicht eingerichtet. Überrumpelt fuhr sie sich durchs Haar, suchte nach Text. »Äh … ja. Schön. Gab’s diesen Stängel im Baumarkt?«
    »Wie bitte?«, kam empört zurück.
    Ich seh’s ein, der Text war Mist. »Sorry Süße. Hab nichts gesagt. Das Ding da, äh, die Blume ist wirklich schick. Total.«
    »Will ich hoffen. Die war teuer.«
    »Oh. Okay. Dann … äh, doppelt danke.« Himmel, was für eine verkackte Szene. Jule verpasste sich innerlich Ohrfeigen, eine rechts, eine links, legte ihre Hände in den Schoß und sah Ewa abwartend an.
    »Äh, was ist?«, fragte der Zwerg irritiert.
    »Auftritt. Leg los. Womit hab ich die verdient?«
    »Weil … also …«, druckste Ewa herum, mehr Info kam nicht. Sie hockte da, zuppelte am Kragen ihrer dunkelblauen Bluse herum und fixierte einen Punkt irgendwo im Raum. Ein klassischer Texthänger.
    »Stichwort rote Rose«, wisperte Jule.
    »Ja. Also …« Ewa verstummte erneut und kaute an ihrem Daumen, während sich das Schweigen allmählich gefühlte

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