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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Verdammt, ich hatte keine Chance, ich schwöre! Alicja hat mir dieses Shirt für dich aufgedrängt und ich weiß, wie sehr du all den Kindermist verabscheust, aber bitte-bitte, sei nicht sauer. Bitte – humpf.« Vortrag beendet, denn Jule stoppte den Redeschwall mit ihren Lippen und einem kurzen Kuss.
    »Süße, alles fein. Ernie und Bert sind Kult«, sprach sie, und schob eine restlos verdatterte Ewa von der Tür weg.
    Im Stechschritt rauschte Jule den Flur entlang, mähte beinahe Struppi nieder, der ihr sabbernd vor die Füße lief, egal, sie marschierte weiter, zielstrebig Richtung Küche. In ihrem Kopf formten sich bereits Sätze für ihre Stimme der Vernunft: Alicja, Piotr, Beziehung heißt Verantwortung! Ihr reißt euch jetzt schleunigst zusammen und liebt euch gefälligst. Bis ans Ende eurer Tage und keine verdammte Sekunde kürzer, kapiert? In zwei Wochen wird geheiratet, ob ihr wollt oder nicht, mir schnurz, Ende der Diskussion. Ungebremst rumpelte Jule in die Küche. »Auf die Eckbank, alle beide«, brüllte sie. Totenstille. Die Szene vor ihren Augen wirkte wie eingefroren von einem blitzartigen Kälteeinbruch. Jule schluckte. Ihr Hirn lief auf Hochtouren, um dieses unerwartete Bild irgendwie zu verarbeiten, während zwei Augenpaare sie überrascht anstarrten. Am Boden lagen Scherben. Kaputte Tasse. Diddl. Kein herber Verlust. Mitten im Raum bebte Alicja, in einem altbackenen, grün-braunen Blümchenkleid und mit einem Headset am Ohr. Auf der Eckbank lümmelte Piotr über einer Tageszeitung, während seine Rechte eine Tasse umfasste, von der ein Rudel Schlümpfe einer sprachlosen Jule fröhlich entgegenwinkten.
    »Jule, alles in Ordnung?«, fragte Alicja und unterbrach für einen Moment das Flechten ihrer Haare zum Zopf.
    »Äh, ich …«, setzte Jule an, doch da hob Alicja eine Hand. Rums, ging das wüste Gebrülle auf Polnisch wieder los, bis Alicja verstummte und mit einem Lächeln auf den Lippen das Headset abnahm.
    Nun hatte Jule ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. »Fehlt dir etwas, Liebes?«, fragte die Gutemine und steichelte ihr mütterlich über die Wange. »Jule, du kannst uns alles erzählen. Immer raus damit. Gab es Streit? Hat Ewa dich schlecht behandelt? Keine Sorge, ich nehme sie mir gleich zur Brust.«
    »Äh, nein. Ewa ist toll. Wir streiten nicht«, entgegnete Jule schnell. »Aber ihr, ihr habt doch gerade …«
    »Was denn, Jule?« Piotr hob den Kopf.
    »Ihr beide habt gestritten.« Ausgerechnet, während wir geknutscht haben, verflucht.
    »Wir? Nein.« So lautete Alicjas Kommentar, kurz, knackig und eine Spur verblüfft. »Da musst du dich verhört haben, Liebes.«
    Leute, ey, ich bin höchstens blind und nicht taub. Jule kaute auf ihrer Unterlippe. Diese Situation war undurchsichtig.
    »Oder meinst du das Telefonat eben?«, fragte Alicja mit deutender Geste in Richtung Headset. »Jule, es ist zum Durchdrehen. Wenn man sich nicht um alles selbst kümmert, klappt rein gar nichts.« Sie wandte sich zur Küchenfront und präsentierte Jule im nächsten Moment einen aufgeklappten Pappkarton. »Sieh mal, die ganzen Kuchenstücke hier. Zwanzig Stücke habe ich angefordert. Alle unterschiedlich, damit wir probieren können. Wir müssen schließlich die Hochzeitstorte bestellen, sind spät dran. Und was passiert? Erstens: Sie liefern achtzehn. Zweitens: Alle ohne Krokant.« Alicja schnaubte. »Stell dir das mal vor. Ohne Krokant. Mein Piotr liebt Krokant.«
    »Krokant?«, wiederholte Jule ungläubig. »Krokant?«
    Alicja hob eine Augenbraue. »Kennst du nicht? Jule, gewiss hast du das schon mal gegessen. Krokant ist Zucker, karamellisiert, mit …«
    »Ihr brüllt wegen – Krokant?« Jules Stimme klang mächtig schrill, als sie Alicja entgeistert anstarrte.
    »Glaubst du, wir lassen uns die Hochzeit vermiesen? Diese Dilettanten! Eigentlich sollten sie wissen, dass sie so mit mir nicht umspringen dürfen. Ich dulde keine Schlamperei. Jule, ich sag dir eines: Im Leben musst du dich durchsetzen, denn außer Liebe bekommt man nichts geschenkt.«
    Ist das mein Kalenderspruch für heute? Ey, ich heul gleich. Restlos überfordert sank Jule zu Piotr auf die Eckbank und vergrub ihren Kopf zwischen den Händen. Runterkommen, durchatmen, ooommm, bis 132.748 zählen, mindestens. Da erschien Ewa auf der Bildfläche, welch rettender Engel in diesem irdischen Chaos. »Süße«, empfing Jule sie aufgelöst. »Die beiden schreien wegen ein paar Zuckerkrümeln.«
    Ewa lächelte. »Ich weiß.«
    »Wie bitte?« Jule

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