Violett ist erst der Anfang
Ewigkeiten zog.
»Rose, Süße.«
»Mensch Jule, jetzt drängel doch nicht so.«
»Du hast mit der Romantik-Nummer angefangen, Fräulein.«
»Ja, also …«
»Das hatten wir schon.«
»Jule!«, fuhr Ewa sie an.
»Was denn?« Ist doch wahr.
»Ich, also …«
»Komm schon, Bogacz. Mach doch bitte endlich einen kompletten Satz draus. Einer genügt vollkommen. Du schenkst mir heute, in diesem Moment, eine Rose in Rot – weil?«
»Weil wir es jetzt schon einen ganzen Tag miteinander ausgehalten haben.«
Krass. Diese Info saß. Und sie rührte Jule, speziell ihr Herz, denn das wummerte augenblicklich los wie blöde. Eintägiges. Gott, daran hat bisher noch nie jemand gedacht. Somit – scheiß auf Frühstück. Emotional überwältig schleuderte Jule die Rose in irgendeine Ecke, krallte sich in die blaue Bluse und rupf, r iss sie Ewa auf sich.
Welch grandiose Idee. Verliebt knutschend wälzten sie sich auf dem Laken, wuschelten hier, streichelten da und … ein zaghaftes Klopfen drang zu ihnen aus Richtung Tür.
»Ewa?« vernahmen sie Alicjas Stimme. »Ist Jule schon wach?«
»Nein!«, brüllte Frau B. zurück.
Das war jetzt aber ein bisschen unglaubwürdig, Bogacz.
»Alles klar«, kam als Antwort. »Macht, was auch immer ihr macht. Ich bin in der Küche.«
Jule konnte es kaum fassen. Das ging ja einfach, und weiter ging’s. Ewa stöhnte leise, als Jule ihr die Lippen an den Hals legte. In Jules Kopf setzte parallel Trommelwirbel ein. Knutschfleck Nummer Eins. Ich schwör dir, Susan, so einen perfekten Biss hast du noch nicht gesehen und … Jule zuckte kurz zusammen. Was war das für ein Geräusch gewesen eben? Ein Scheppern oder Rumpeln, keine Ahnung, auf jeden Fall laut. Irgendwo in der Wohnung.
»War dasch euer Regal, Schüsche?«, nuschelte Jule, hochkonzentriert und saugend am Werk.
»Hey, was ich zusammenschraube, hält Bombe.«
Hat man eben gehört, Fräulein. Rums. »Was war das denn sonst, Süße?«
»Alicja hat etwas gegen die Wand gedonnert.«
»Wie bitte?« Alarmiert hob Jule den Kopf. Und schon brach der Sturm los, dass die Wände wackelten. Hitzige Stimmen, Polengezeter deluxe. Alicja keifend, Piotr dröhnend. »Worüber reden die denn?« Jule lauschte mit wachsendem Unbehagen. Dieser Schlagabtausch hörte sich alles andere als harmonisch an. Mehr nach Morddrohung.
»Hochzeit«, kam knapp von Ewa, und sie knabberte unbekümmert an Jules Ohrläppchen.
Oh mein Gott. Jule wurde heiß. Die beiden machten doch nicht etwa einen Rückzieher, oder? Totschlag so kurz vor dem Traualtar, ey, das ging einfach nicht. Nicht an diesem Wochenende. Jule sah bereits die Szenen. Eine tränenüberströmte Alicja mit Platzwunde, flankiert von Sanitätern auf dem Weg in die Notaufnahme. Ein randalierender Piotr, der verletzt und wütend über sein zerbrochenes Glück die Wohnung in Trümmer schlug. Äh … oder vielleicht auch eine andere Rollenverteilung. Piotr angeschlagen, und eine Alicja, die als Bösemine vermöbelnd die Fäuste schwang. Wurscht. War beides furchtbar. Für Ewa und sie wäre das Wochenende dann komplett gelaufen. Und überhaupt, spannenlanger Hansel und nudeldicke Dirn durften sich schlicht und ergreifend nicht trennen, die waren der Knaller zusammen. Ein Gespann so passend wie Arsch auf Eimer. Und irgendwie süß. Verdammt, Jule zerriss es schier das Herz. Dieses Traumpaar musste gerettet werden. Notfalls mit Gewalt. Sofort wühlte sich Jule aus den Armen ihrer Freundin, setzte ihre Brille auf und …
»Wo willst du hin?« Verwirrt guckte Ewa sie an.
»Ey, ich halt das nicht aus. Wir müssen doch irgendwas tun!«
»Ja, was denn?«
»Woher soll ich das wissen, Herrgott«, gestand Jule, und ihre Stimme bebte. »Aber ich lasse nicht zu, dass die alles rumschmeißen und hinschmeißen.«
»Komm, Jule. Nicht unsere Baustelle.«
»Spinnst du? Bogacz, die sind Familie! Wir müssen, wir …« Jule brach ab, und rückte an ihrer Brille. »Ich regel das jetzt.« Ihre Hand ging zur Türklinke.
»Stopp!«, rief Ewa, sprang vom Bett und stellte sich ihr in den Weg. »Misch dich da nicht ein.«
»Und ob ich mich da einmische, Fräulein!«
»Aber nicht so. Du trägst nur das Schlafshirt und …«
»Na und?« Alicja liebt meine Beine, Bogacz.
»Jule, du …« Ewa nahm ihre Hand und schien nach Worten zu suchen, als wäre sie Mutter und Jule das ahnungslose Kind, das noch nichts vom krepierten Meerschweinchen wusste. »Jule, du … äh, womöglich hast du es nicht bemerkt, aber …
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