Violett ist nicht das Ende
verkrümeln uns in eine Ecke, saufen uns die Birne weich, knutschen und glotzen ein bisschen, okay?« Jule knuffte Ewa in die Seite. »Ganz chillig.«
»Kannst du knicken. Die Jungs gehen gleich ab wie sonst was.«
»Tanzen da eigentlich auch Männer, Süße?«
Ewa stöhnte auf. »Wir sind doch nicht mehr hetero.«
»Schon klar. Aber gucken wird doch wohl erlaubt sein, oder? Privat will ich natürlich nur dich, mein Schatz.«
»Brav.« Ein Küsschen von Ewa.
Ein Schnurren von Jule. »Und?«
»Was und?«
»Jungs oder nicht?«
»Na schön. Jungs – ja. Und Kevin sieht extrem geil aus.«
»Kevin?« Moment mal, Fräulein. »Woher kennst du …«
»Ewa!«, schallte es vom Eingang her. Der bullige Türsteher in Schwarz winkte mit seiner Pranke so heftig, dass seine Hängebacken schwabbelten und in die dunklen Zotteln seines Vokuhila Bewegung kam. Hurgx. Geballte Unerotik, stimmig abgerundet mit einem schmalrasierten Pornobalken auf seiner Oberlippe. Nicht schön. Am liebsten hätte Jule den Rückwärtsgang eingelegt.
»Andi!« Ewa flitzte los, als spielte sie die Hebefigur von Dirty Dancing nach, und ließ sich knuddeln.
»Boah, Kurze. Schön dich zu sehen«, sagte dieser Andi mit weicher Stimme, die mehr nach Teddy klang als nach furchteinflößendem Grizzly. »Was liegt an? Party mit den Jungs?«
»Junggesellenabschied.«
»Oha. Und du als einzige Lady mittendrin?«
»Ne.« Ewa nahm Jules Hand und zog sie zu sich an die Seite. »Darf ich vorstellen? Meine Jule.«
»Wow«, entfuhr es Andi. »Eine Frau?«
»Ja. Ich hab das Ufer gewechselt. Voll verrückt, oder?«
»Wenn es dir Spaß macht.« Andi zuckte die Achseln. »Ist doch toll. Und Respekt. Guter Fang. Noch frisch?«
»Sehr frisch. Hab ich erst diese Woche an Land gezogen.« Ewa gab Jule einen galanten Handkuss.
Trotzdem fühlte sich Jule nicht wirklich wohl. Eher wie ein naiver Fisch, dem man einen Angelhaken zum Runterwürgen serviert hatte. Im Striplokal ist deine Freundin VIP. Schluck das, Schweitzer.
»Lässt du uns rein?« Ewa blinzelte, nicht sexy, aber süß.
»Kann ich vorher den Ausweis von deiner Freundin sehen?«
Brüller, Bursche.
Auch Ewa verdrehte die Augen. »Komm Andi, sie ist volljährig.«
»Sie sieht aber verdammt jung aus, Ewa.«
»Glaubst du, ich verführe Teenies?«
»Warum nicht?«, meinte Andi lässig und zuppelte an seinen hochgekrempelten Jackenärmeln. »Wenn sie mitspielen. Ich sag immer: Ran an die Frikadellen, solange sie noch heiß sind.«
»Jule ist dreißig.«
»Ey, geht’s noch lauter?« Peinlich berührt ging Jule hinter ihrem Zwerg in Deckung und suchte Schutz vor den neugierigen Blicken aus der Warteschlange. Gafft nicht. Irgendwann trifft es jeden.
»Es stimmt doch, Jule.«
»Na und? Der hält mich netterweise für süße siebzehn.«
»Das hilft uns aber nichts. Wir wollen rein. Also komm, zeig Andi dein geiles Kifferbild.« Zur Ermunterung gab’s noch ein Küsschen, und so kramte Jule wohl oder übel ihren Perso hervor.
Inzwischen drängelte Krysztof sich nach vorne. Ihm dauerte dieser Ausweiszirkus offenbar zu lange. »Andi, welcher Tisch?«
»Links von der Bühne. Euer Stammplatz.«
Stamm-was? Scheiße, davon habt ihr mir nichts erzählt, Leute.
Krysztof strahlte Andi an. »Danke, Alter.«
Kumpelhaft klatschten die beiden sich ab. Krysztof drückte einen Geldschein in Andis Pranke, dann verschwand das Polentrio im Inneren. Verwirrt blickte Jule den Herren nach.
»Du-hu, Andi?«, säuselte Ewa. »Aber schöne Frauen wie uns lässt du umsonst rein, oder?«
»Sicher. Kennst mich doch.« Er gab Jule den Ausweis zurück. »Sorry. Bei all den Kiezküken muss ich misstrauisch sein bei neuen Gesichtern. Toller Name übrigens.«
»Oh, äh, danke schön.« Jule zeigte Grübchen.
»In der Herbertstraße kenne ich auch eine Mechthild. Heiße Hilde. Die ist jeden Cent wert, nur zu empfehlen.«
Okay, Grübchen wieder weg.
»Danke, Andi. Kein Bedarf.« Ewa küsste erneut Jules Hand.
»Verstehe, Kurze. Sei verliebt. Ich gönne es dir.« Andi nestelte in seine Jackentasche. »Noch etwas Spielgeld für den Abend?«
»Du bist und bleibst der Beste.« Ewa boxte ihm buddymäßig in die Seite und nahm die Scheine aus Andis Grizzlypranke.
Über Teppichboden ging es durchs Foyer hinein in den Club. Discobeat lag in der Luft. Schummrige Beleuchtung tauchte die Szene in atmosphärisches, laszives Rot-Blau. Nett grundsätzlich. Doch Jule wusste immer noch nicht wohin mit dem verstörenden Input.
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