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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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pulsierende Kulisse, und sie beide weilten geborgen wie auf einer Insel, in einem kleinen funkelnden Reich. Eng schmiegten sich ihre Körper aneinander, und die Nähe legte sich berauschend auf Jules angeschlagenes Gemüt. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie war … im Märchen. Eine Prinzessin, die Queen, der Megastar der Weltbühnen und sei es nur für diese kostbare Weile.
    »Geht es dir … gut?«, fragte Ewa leise und streichelte eine Haarsträhne aus Jules Stirn.
    Jule nickte, heftig und gerührt, und schloss Ewas Hände ganz fest in ihre.
    »Jule?«
    »Ja?«
    »Darf ich …«
    »Was?«
    »Ich-ich würde … gerne …«
    »Was denn?«
    »Darf ich … dich küssen, Jule?«
    Der Moment, als sich ihre Lippen berührten, ganz vorsichtig, fast scheu – er war magisch und wundervoll wie dieses Edelgefährt. Ein perfekter Augenblick, nicht von dieser Welt. Die stand still und, äh, die Limo auf einmal auch. Verwirrt lösten sie sich voneinander und blickten aus der Fensterfront.
    Willkommen an der Tankstelle. Bei Jule setzte wieder der Verstand ein. Soviel zu: Keine Extratour. Der Ralf machte hier einfach sein Ding, so kurz vor Feierabend. Okay, gecheckt. Adieu, du nächtlich erstrahltes Hamburg, du romantisches Städtchen mit traumhaften Flecken wie Hafen und Alstergegend. Die Limo fuhr die bodenständige Route, Kiez-Tanke inklusive. Seufz, so denn. Man konnte nicht alles haben.
    Frau B. war mit einem Mal wie ausgewechselt und sprang auf wie von der Tarantel gepiekt. Stürmisch schlüpfte sie in ihre Chucks, kramte ihre Geldbörse hervor, schmatzte Jule noch ein Küsschen auf die Wange und griff zur Tür.
    »Bin gleich zurück.«
    Stimmt, und zwar vollbepackt mit zwei weißen Plastiktüten.
    »Fuck!« Jule riss die Augen auf. »Was hast du getan, Süße?«
    »Wir sind gerettet.« Ewa präsentierte ihre Beute. »Chips, Flips, noch ein bisschen Knabberkram, Gummibärchen, Marshmallows und ein paar Tafeln Schoki. Müsste reichen. Oder hab ich irgendwas vergessen?«
    »Äh … Getränke?«
    »Ach so. Ne, da hab ich auch was. Aber ich fürchte, das haust du mir gleich um die Ohren. Harte Sachen wollte ich nicht kaufen. Bier magst du ja weniger. Bei Wein war ich unsicher, ob weiß oder rot. Gekühlten Blubber hab ich nicht gefunden, außer eben …« Frau B. griff in eine der Tüten. »Schlimm?«
    Jule schluckte. »Fräulein, ich sag mal so: Ein Glück, dass wir in einer Limo sitzen, sonst wäre Dosenprosecco primitiv.«
    »Ich weiß.«
    »Wie viele Dosen haben wir?«
    »Genug.«
    »Na dann. Wirf rüber die Plörre.«
    Stößchen. Und ihr Spontanpicknick in der Limo nahm seinen Lauf. Glückselig mampfte der Zwerg Chips in sich. Jule schlürfte so grazil wie möglich das Gesöff aus der Dose und vergriff sich an fünf Gummibärchen. Dabei lümmelten sie entspannt in Socken auf den Sitzpolstern, als hingen sie unter einer Wolldecke auf der heimischen Couch vor der Glotze.
    »Süße, versteh mich bitte nicht falsch, aber … irgendwie … ist das komplett gestört.«
    »Ich find’s super. Schoki?« Kauend hielt Ewa Jule die angeknabberte Tafel unter die Nase. »Greif zu.«
    »Aber wirklich nur ein klitzekleines Eckchen.«
    »Hau rein. Ich hab doch noch mehr davon.«
    »Nur ruiniert das Zeug meine Hüften.«
    »Wenn du hier die Kalorienkrise schiebst wegen so ein bisschen Süßkram, flipp ich aus. Deine Figur ist mega!«
    »Fräulein, ich bin von uns beiden die Babett, kapiert? In den dämlichen Leggins sieht man jedes verfluchte Gramm.«
    »Vergiss die Arbeit und iss«, befahl Ewa in ruppigen Ton. »Oder soll ich mich mies fühlen? Willst du, dass ich schreie?«
    »Äh … ne, mein Schatz.«
    So schlemmten sie eine Runde, schweigend und einträchtig.
    Da setzte sich der Wagen wieder in Bewegung. Endlich. Wohin auch immer Ralfs Route führen mochte, vielleicht konnten sie wenigstens einen Miniblick auf den Hafen erhaschen und ein angestrahltes Schiffchen in der Nacht erspähen? Gebannt starrten sie aus dem Fenster. Der Schlitten rollte rückwärts, machte einen kleinen Schlenker und, äh, kam wieder zum Stehen.
    »Fräulein, kneif mich.« Jule analysierte die Lage. »Ey, welcher Vollidiot will denn mit einer Limo durch die Waschstraße?«
    »Keine Ahnung. Vor allem um diese Uhrzeit. Dass die überhaupt noch offen haben und … hey, guck mal. Da ist Ralf.«
    Tatsächlich. Neben der Karosse stand ihr Chauffeur zusammen mit einem hageren Burschen im roten Overall. Nach einem Buddy-give-me-five zur Begrüßung folgte ein

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