Violett ist nicht das Ende
Mini-Tanzfläche.
»Carmen!« Natalia begrüßte mit Küsschen. »Darf ich vorstellen? Jule, eine Freundin von mir.«
»Hi. Willkommen bei uns. Hast du den Job schon oder bist du auf Probe?«
Jule schluckte. »Äh … wie bitte?«
»Wenn du willst, leg ich ein gutes Wort für dich ein.« Carmen lächelte sie an. »Ich hatte dich ständig im Blick vorhin, als ich da auf dem Tresen getanzt habe. Ich finde, du hast Potenzial.«
»Da-danke?« Jules Finger klammerten sich um die USA-Flagge.
»Und den BH knackst du auch noch. Schau mal.«
Ehe sich Jule versah, steckte sie mitten in einer Fortbildung. Carmen dozierte und schnippte immer wieder Natalias BH auf. Danach war Jule an der Reihe. Tatsächlich. Wenn man einmal den Dreh raus hatte, war die Nummer ein Kinderspiel. Verrückt. Es folgte eine herzliche Umarmung, und Carmen verabschiedete sich aus der Runde. Tja. Und nun? Noch immer brummte Jule der Schädel. Das Gespräch mit Natalia hatte Türen geöffnet und Licht an einen Ort gebracht, an dem fast alles noch im Dunkeln gelegen hatte. Ewas Vergangenheit. Bilder formten sich in Jules Kopf. Ein klampfender Kurt-Cobain-Verschnitt auf einem zerwühlten Hotelbett, dem eine summende Ewa in verwaschenen Hotpants den Joint aus dem Mundwinkel klaute. Ein überfülltes Café, überall lärmende Stimmen, und dazwischen eine abgekämpfte Ewa, die Bestellungen notierte und Getränke servierte wie Viola im Café Butterblume. Traurige Hundeaugen und Gewinsel, als Ewa auf Alicjas Türschwelle noch ein letztes Mal in die Knie sank und ihrem Kleinen schniefend das Fell zerzauste und … Cut. Jules Herz zerriss es schier. Keine der Szenen hatte sie miterlebt und doch gehörten sie mit einem Mal wie Puzzleteile zu ihrem Gesamtbild von Ewa. Zu dem Menschen, der Stunde um Stunde mehr Raum einnahm in Jules Leben. Einen Rückwärtsgang gab es nicht, und scheiße, ey, sie wollte auch gar keinen. Mit Ewa wünschte sie sich nicht nur ein Jetzt, sondern auch ein Morgen, ein Übermorgen, ein Leben als Wir. Jule sah zu Natalia.
»Glaubst du, ich krieg das hin, mit Ewa?«
Natalia hob eine Augenbraue. »Eine Beziehung? Wieso nicht? Frauen sind zwar komplizierter, aber sie fühlen sich besser an. Vor Jahren hatte ich mal Sex mit meiner Postbotin. War geil, wir haben echt die ganze Zeit – ey, wehe du erzählst das Krysztof.«
»Äh … nein, ich …«
Da legte sich Natalias Hand auf ihre Schulter und drückte sie kurz. »Jule, Ewa ist ein Schatz. Lieb sie und alles wird gut. Und wenn du sie scheiße behandelst, brechen wir dir das Genick. Verstanden? So, genug gequatscht. Ich will endlich einen Dollar.«
Jule nickte. Tja. Die Arbeit rief und vielleicht tat Ablenkung ganz gut?
»Warte, ich hab eine Idee. Lehn dich da mal so hin.« Jule schob Natalia rücklings gegen eine Stange. Mit geschmeidigen Bewegungen, viel Hüfteinsatz und Lolita-Blick tanzte Jule Natalia an, ging in die Knie, warf verwegen ihr Haar in den Nacken und schlängelte sich aus der Hocke empor. Immer wieder, wie eine willenlos Königskobra in den Fängen ihres Schlangenbeschwörers. Babettmäßig leckte sie sich die Lippen und ihre Hände wanderten aufreizend auf Natalias Oberschenkeln hinauf zum Slip, über den trainierten Bauch weiter zu den vollen Brüsten, die sie mal kurz …
»Jule!«
Gott, ich bin ihr verfallen. »Ewa, hey.« Sofort zog Jule ihre Brille aus dem BH, setzte sie auf und strahlte. »Da bist du ja endlich, mein Schatz.«
»Sag mal, Jule, bist du noch ganz dicht?«
KAPITEL 11
Verkehrte Welt. Normalerweise befanden sich die schnaubenden Geschöpfe im Gehege und nicht vor dem Käfig. Aber schön. Das Dollhouse war schließlich kein Tierpark, und die Bogacz kein Bison. Ungläubig pendelte Ewas Blick zwischen Natalia mit nacktem Oberkörper und Jule in schwarzer Spitze hin und her.
»Jule, was zum Geier machst du da?«
»Warte, ich komm raus.« Jule schob sich durch die Stäbe und sah noch einmal empor. »Danke dir, Natalia. Hat Spaß gemacht.«
»Finde ich auch«, kam als Antwort. »Am Schluss hattest du den Dreh echt raus. Falls du einen neuen Job suchst …«
»Lasse ich es dich und Carmen wissen, versprochen.« Jule blinzelte ihr zu und zog Ewa in ihre Arme. »Mensch du, endlich. Wo warst du so lange?«
Augenblicklich machte sich Ewa los. »Was soll das?«
»Hey, was ist? Ich hab dich voll vermisst und …«
»Mir scheißegal. Zieh dir sofort deine Klamotten an.«
»Na-natürlich.« Ups, glatt vergessen.
Wenige Handgriffe später trug
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