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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Jule wieder ihr gewohntes Outfit. Mit einem Knicks reichte sie Natalia die zusammengefaltete Flagge, dann gehörte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit Ewa. Tja. Blöd. Die gab keinen Mucks von sich und stand nur rum mit wahrlich ungesunder Gesichtsfarbe und atmete schwer.
    »Könntest du langsam aufhören mit der Schweigenummer?«, bat Jule. »Erzähl. Warst du noch auf der Toilette? Endlosschlange, kein Klopapier, quasselnde Klofrau, oder hast du Natalias Schlüssel abgebrochen und Krysztof musste den Spind aufbrechen?«
    »Verdammt, ich kämpfe hier gerade. Du im Käfig mit …«
    »Ach so.« Jule winkte ab. »Und? War die Show gut?«
    »Beschissen!«
    »Oh. Gefällt dir nicht, wie ich tanze?«
    »Doch, natürlich. Ey, wie du da so geschmeidig in die Knie bist und dich wieder hochgeschraubt hast und dieses Feuer dabei in deinem Blick, das … ich … äh … verflucht! Darum geht es doch jetzt gar nicht.«
    »Aha.« Jule rückte an ihrer Brille. »Sondern?«
    »Du hast dich ausgezogen. Hier! Vor dem kompletten Dollhouse.«
    »Ach Quatsch. In der Ecke war tote Hose, Süße. Wir haben nur einen Dollar verdient, obwohl wir uns total versaut verbogen ha…«
    »Jule!«
    »Was denn?« Jule verdrehte die Augen. »Sag bloß, du bist eifersüchtig?«
    »Nein!«
    Extrem überzeugend. »Schon klar. Den Teil können wir ohnehin überspringen. Es ging mir die ganze Zeit um dich, Ehrenwort. Wir haben nämlich geredet dabei, und ich weiß …« Jule verstummte. Scheiße. Sie hatte viel zu übermütig losgequatscht, ohne Plan, wie sie behutsam das Gnojek-Desaster ansprechen sollte. Ewas alte Wunden … Waren sie verheilt? Oder rissen sie bei der kleinsten Berührung auf? Schweigen war ausgeschlossen. Es ging um die Zukunft, ihre Zukunft. Also musste die Vergangenheit wieder Gegenwart werden, was auch immer das für die folgenden Momente bedeuten mochte.
    »Ich weiß … von … der CD. Der … missglückten.«
    Ewa schien mit einem Schlag alles aus dem Gesicht zu rutschen. Rot wich Weiß, doch sie bebte immer noch.
    »Das glaub ich jetzt nicht.« Ewas Augen funkelten. »Natalia, dieses dusselige Tratschmaul! Boah, der brech ich sämtliche Knochen, ich …«
    »Sei nicht sauer, Süße, bitte«, sagte Jule schnell. »Ich bin schuld. Ich wollte es wissen.« Zu gerne hätte sie die blonden Fransen gestreichelt, doch Ewa wich aus.
    »Und?« Es klang trotzig. »Was denkst du jetzt über mich? Na los. Zu blöd zum Lesen, nichts im Hirn? Bereust du, dass du so was Dummes wie mich abgegriffen hast?«
    »Spinnst du?«
    »Schön.« Ewa verschränkte die Arme. »Denn die Sache hat nichts mit uns zu tun. Meine Vergangenheit spielt keine Rolle.«
    »Und ob, Fräulein. Es ist wichtig, ob du blank bist oder ob …«
    »Wie bitte?« Ewa schleuderte ihr einen geschockten Blick entgegen. »Nicht dein Ernst! Okay, Schluss. Das war’s. Spar dir jede weitere Silbe, Schweitzer. Hab’s gecheckt, ich …«
    »Bitte?« Welchen Film schiebt die denn?
    »Du willst mich nur, wenn ich Kohle habe. Alter, so hätte ich dich nicht eingeschätzt. Aber wenigstens bist du ehrlich. Dann verpiss dich doch.«
    »Bogacz! Du redest Schrott. Ich wollte nur …«
    »Dich in meine Angelegenheiten mischen? Das hast du geschafft, Glückwunsch!«
    »Aber ich muss doch wissen …«
    »Ob ich eine gute Partie bin? Ey, lass mich einfach in Frieden. Hau ab! Ich komme sehr gut alleine klar und …«
    »Okay, Bogacz, das reicht.« Energisch krallte sich Jule in Ewas Kragen, drängte sie ruppig rückwärts zur Bar, kantete irgendeinen Typen mit Ellbogenkick aus der Bahn und zog eine überrumpelte Ewa mit sich hinter den Tresen.
    »Stopp.« Ein blonder Schmierlappen im Netz-Top stellte seinen Cocktailshaker beiseite. »Zutritt nur fürs Personal.«
    »Mach Platz«, fuhr Jule ihn an. »Wir sind Freunde des Hauses.«
    »Das kann ja jeder behaupten. Ich kenn euch nicht.«
    Irritiert sah Jule zu Ewa. »Wie kann das sein?« Ach egal. »Wir sind VIPs, Bursche. Frag Natalia oder Carmen, aber lass uns in Frieden oder ich schwör dir, ich schieb dir keinen einzigen Dollar ins Höschen.« Nach dieser Ansage packte sie Ewa am Ärmel und riss sie mit sich in die Knie.
    Cut. Auszeit. Kein lauschiges Plätzchen, aber immerhin ein Plätzchen. So saßen sie nun auf dem angeschmuddelten Barboden, haarscharf gestrandet neben einer Bierpfütze. Kauernd lehnten sie gegen einen Kühlschrank, während der Tresen sie wie eine Barrikade vor dem Rest der Welt schützte. Hier waren sie ungestört.

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