Violett ist nicht das Ende
selbstverständlich.«
»Dito, Frau Bogacz.« Jule zwinkerte ihr zu.
»Am besten schreibe ich Ihnen später noch meine Nummer auf, Jule. Nur für den Fall, dass Sie da komplett auf Granit beißen. Vielleicht kann ich notfalls vermitteln, wenn Ihre …«
»Wer beißt wo und vermittelt wen?« Der Zwerg war verwirrt und irgendwie raus. »Du, Mama? Hat dich das eigentlich sehr überrollt, dass ich nun … also … eine Freundin habe?«
Mama Bogacz seufzte. »Auf der Strecke nach Hamburg wurde ich zweimal geblitzt und du weißt, wie ich normalerweise Auto fahre. Und das, obwohl ich Johanniskraut genommen habe. Drei Kapseln.«
»Oh.«
»Doch letztendlich … Wir haben dich sehr offen erzogen, Ewka. Nun hast du unerwartet eine Jule, das wird uns fordern.«
»Aber ihr habt gesagt, dass es egal ist, wen ich nach Hause bringe. Hauptsache, ich schleppe überhaupt mal jemanden an.«
»Deshalb werden wir uns damit auch in irgendeiner Form auseinandersetzen und uns vermutlich damit abfinden.«
»Abfinden?« Ewa wurde lauter. »Ey, ne, Mama, komm. Wenn überhaupt heißt das Wort ›akzeptieren‹ und selbst das ist noch unterste Schublade. So eine unterkühlte Tour habe ich nicht verdient, Jule erst recht nicht, das ist unfair, das weißt du.«
»Ewka, wir werden versuchen, uns …«
»Schön«, fiel Ewa ihr ins Wort. »Dann hätten wir die Sache geklärt. Ich bin schließlich eure Tochter.«
»Das bist du. Deshalb werden wir auch diese Phase von dir …«
»Phase?«
Woooaaah, und schon kippte die ambitionierte Unterhaltung in die Bogacz’sche Muttersprache. Jule krallte sich ins Hello-Kitty-Sitzkissen, als Ewa Lucky Luke auf den Tisch donnerte und anfing zu brüllen. Mutti keifte zurück. Welch ohrenbetäubender Schlagabtausch, alter Schwede, äh, Pole. Ewas Kopf stand in Flammen. Wütend sprang sie auf, fuchtelte ausladend und drohend in der Luft herum. Mutti tat es ihr gleich und hielt mit bewegenden Gesten dagegen. Und immer wieder … fiel Jules Name.
Irgendwann, nachdem Ewa mit der Faust auf den Kühlschrank gedroschen und den Hundenapf einmal scheppernd durch den Raum getreten hatte, kam irgendwas – ein Satz, vielleicht auch nur ein alles entscheidendes Wort, ein Blick, und der Zwerg verstummte schlagartig und fiel Mutti um den Hals. Es folgte inniges Geknuddel. Ewa verteilte eine Ladung Bussis, Mama Bogacz ebenfalls und streichelte ihrer Tochter über die glühende Wange.
Schnief. Jule hätte heulen können. Vor Rührung, bestimmt, wenn sie irgendwas verstanden hätte. Aus Überforderung sofort. Schließlich löste sich Ewa aus Muttis Umarmung, kehrte zurück auf die Eckbank und strahlte Jule mit schimmernden Knopfaugen an.
»Alles gut jetzt«, flüsterte sie.
Weich legten sich Ewas Lippen auf ihre. Jule erstarrte. Knutschen direkt vor Schwiegermutti, das war … das war … ach, Scheiß drauf, es war wundervoll. Jule schmolz dahin. Dann zog Ewa sie auf ihren Schoß und hauchte ein Küsschen auf ihren Hals. Perfekt, nur … Unsicher ging Jules Blick zu Mama Bogacz. Doch die beobachtete lediglich alles mit undurchsichtiger Miene und wirkte extrem gelassen.
Was auch immer du der hingehauen hast, die haben wir im Sack.
»Keks, Mama?« Ewa präsentierte die Prinzenrolle.
Mama Bogacz griff zu. »Sie sprechen kein Polnisch, oder?«
»Aber das lerne ich«, versicherte Jule. »Ein paar Wörter kann ich ja schon, die …« Sie verstummte. Sehnsucht, Hilfe, Schlampe, Scheißkerl. Damit schindest du Eindruck, Schweitzer.
»Jule, niemand erwartet, dass Sie unsere Sprache lernen.«
»Ich will es aber, Frau Bogacz. Denn wissen Sie, wenn wir nächste Woche zusammenziehen, dann …«
»Nächste Woche?« Mutti hustete Kekskrümel. »Alicja meinte vorhin, ihr seid erst seit …«
»Seit Freitag ein Paar, na und?« Ewa zuckte die Schultern. »Wir haben uns das wirklich genau überlegt.«
Fräulein, das glaubt dir keine Sau. Also legte Jule ihr Grübchen auf. »Frau Bogacz, es fühlt sich richtig an. Ewa zieht zu mir. Ich habe Platz und einen Park in der Nähe.«
»Der Kleine kommt nämlich mit, Mama.« Ewa strahlte.
»Und ich kann mit Hunden«, ergänzte Jule schnell. »Also gut, polnische Kommandos kann ich noch nicht, aber …«
»Die bringe ich dir bei, Jule. Kein Thema.«
»Sowas wie L-leschätschk?«
» Leżeć . Kannst aber auch Połóż się sagen für Hinlegen. Szukaj nimmst du für Such und Zostaw für Aus. Sinnvoll ist auch Chodź. Bedeutet Komm. Aber das können wir alles später üben.«
Nur
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