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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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ein paar Tüten beiseite und klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich. Erleichtert setzte sich Jule, und biss sich auf die Unterlippe.
    »War Mist, Jule. Das weißt du hoffentlich.«
    Sie nickte.
    »Fühlt sich Scheiße an, wenn du abhaust, meine Rufe nicht hörst und nicht mal checkst, dass du mich zurücklässt.«
    Erneutes Nicken.
    »Das machst du nie wieder, okay?«
    »Versprochen.«
    »Schön. Dann erzähl. Was war los?«
    Jule stöhnte. »Menno, ich war eben sauer.«
    »Worüber regst du dich denn so auf?«
    »Hallo?« Jule verrutschte die Tonlage. »Dieser schmierige Fisch-Typ hat unser Sexleben schamlos in den Dreck gezogen.«
    »Jule, wir haben keines.«
    »Na und? Trotzdem braucht der nicht sein ach-so-dickes Ding anpreisen. Und so tun, als würde ich spontangeil vor ihm auf die Knie fallen und ihm … Wäääh!« Sie schüttelte sich. »Ey, weißt du, was ich jetzt für beschissene Bilder im Kopf habe? Von wegen Kerl und Aal und festhalten und lutsch-bäääh, fuck, das ist so …«
    »Stopp! Hör auf – bitte.«
    »Alter, ich schäme mich fast abgrundtief, dass ich jemals hetero war und mich zu so etwas je herabgelass…«
    »Jule!« Ewa verdrehte die Augen. »Besten Dank für die Bilder.«
    »Ist dir jetzt wenigstens auch ein bisschen zum Kotzen, Süße?«
    »Ja.«
    »Gut. Also unterstell mir nie wieder, ich würde mich hier grundlos aufregen, Bogacz.«
    »Tschuldigung.«
    »Angenommen.«
    »Wirklich, Jule, bäääh. Schon allein die Vorstellung, dass der denkt, dass wir daran selbstverständlich und gerne rumluts-äh …«
    »Das ist eine bodenlose Frechheit, korrekt.«
    »Ey, dem versauten Penner hättest du mehr hinpfeffern müssen. Shit. Sorry, dass ich dich zurückgepfiffen haben, ich meine … was bildet der sich ein?« Ewa schnaubte.
    »Verziehen. Aber eins steht fest: Erotisch bin ich mit Männern sowas von durch. Da fasse ich nix mehr an, nie wieder. Wäääh. Und ich brauche definitiv mehr Schimpfwörter.«
    »Woher kennst du eigentlich Gnojek?«
    »Äh …« So nennen wir intern deine hundsgemeine Musiker-Pfeife, aber reg dich bitte nicht auf? Nein. Dieses Geständnis war zu riskant. »Muss ich irgendwo aufgeschnappt haben, als du mal weg warst. Aber es passte doch, oder sprech ich das falsch aus?«
    »Deine Betonung ist top.«
    Jule grinste. »Polnisch scheppert echt viel mehr. Richtig geil. Sag mal, was heißt: du verdammter …« Den Rest flüsterte Jule total diskret in Ewas Ohr.
    Die wurde rot. »Das übersetze ich nicht.«
    »Wieso? Ich hab deiner Mutter versprochen, dass ich Polnisch lerne. Und für den Anfang brauche ich Schimpfwörter.«
    »Wie wäre es mit: Kocham Cię?«
    Jule gluckste. »Klingt voll fies. Sag noch mal.«
    »Kocham Cię, Jule.«
    »Kohcham tschjäääh«, wiederholte Jule und legte gleich etwas Bedrohliches in ihre Stimme. »Mega! Das hat was von Ninja-Schlachtruf. Was heißt das?«
    »›Ich liebe dich‹.«
    »Oh.«
    Ein Küsschen traf Jules Wange und Ewa rutschte wortlos in die Waagrechte. Wie ein kleiner Igel rollte sie sich auf der Bank zusammen und kuschelte ihren Kopf in Jules Schoß. Jule schluckte. Da war es wieder, dieses phänomenale Kribbeln im Bauch.
    Ewa …
    Wie friedlich sie dalag. Wie wundervoll sie aussah mit diesem leichten Lächeln auf den Lippen. Ruhe strömte von ihr aus und legte sich wie Balsam auf das Schweitzer’sche Gemüt. Vergessen waren Groll und Gemeinheiten, verschwunden die unschönen Bilder im Kopf. Ganz automatisch bettete Jule einen Arm um ihren süßen Zwerg, während sie mit der anderen Hand verspielt durch die blonden Fransen streichelte.
    Ewa, ihre Ewa …
    So war das also. Konnte es wirklich so einfach sein? Auf einmal war da jemand. Ein Name, eine Person – die passende Antwort auf alles? Gab es so etwas? Bilder ploppten in ihr auf wie Flashbacks im Soap-Geflimmer. Wie intensiv die Zeit mit Ewa doch war, wie einmalig, anders, dennoch so vertraut inzwischen. Ihr Wochenende in Hamburg … Eine Endlosschleife an Abenteuern. So viele geteilte Momente und neue Gesichter. Die polnische Sippe, einer schräger als der andere, trotzdem liebenswürdig bis zum Anschlag. Allen voran Alicja, gefolgt von Mama Bogacz. Sie kamen aus dem Nichts, mit überwältigender Herzlichkeit und hatten Jule ohne Vorbehalte aufgenommen, lesbisch oder nicht, egal, als einen Teil der großen Familie. Als einen Teil von Ewa.
    Ewa, immer wieder Ewa …
    Jemand, der sie forderte, sie schubste und hielt. Jemand, der sie unbemerkt formte, ohne

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