VIRALS - Jeder Tote hütet ein Geheimnis: Band 3 (German Edition)
entfernt waren, betrachteten wir uns auch nicht mehr als Fremde. Es gab Fortschritte. Winzige Fortschritte.
Na, als ob ich wüsste, wie eine normale Beziehung zwischen Vater und Tochter aussieht.
Aber eins war von vornherein klar. Was Whitney betraf, waren wir gegensätzlicher Meinung.
Ich fand die Frau geistlos, taktlos, übermäßig neugierig und anmaßend. Kit fand sie absolut bezaubernd. Da soll mal einer schlau draus werden. Fazit: Ich musste mit ihrer Anwesenheit klarkommen.
Bislang war mir das tatsächlich gelungen. Gerade so eben. Aber jetzt ging es wieder los.
Rede später mit Kit darüber. Jetzt zu streiten, hat keinen Sinn.
Eine Bewegung am Rande meines Sichtfeldes lenkte mich ab. Coop witterte Futter und hatte sich an die Kante des Couchtisches geschlichen.
Whitney bemerkte es ebenfalls. » Zurück! Zurück!« Sie schlug mit einer Stoffserviette nach ihm. » Weg, du Bastard!«
Sie schlug Coop auf die Schnauze, während sie sich gleichzeitig tiefer in die Couch drückte. Coop starrte sie aus eisblauen Augen an, ohne zu blinzeln. Das graubraune Rückenfell sträubte sich.
» Tory!«, quietschte Whitney. » Er will mich beißen!«
» Vielleicht.« Ich ging in die Küche und holte mir eine Diät-Cola aus dem Kühlschrank. » Versuch deine Kehle zu schützen.«
» Tory!!!«
» Ach, immer mit der Ruhe.« Ich genoss ja Whitneys Unbehagen durchaus, aber Kit wäre sicherlich nicht so begeistert. » Coop, bei Fuß!«
Der Wolfshund trabte zu mir und setzte sich. Ich konnte es ja nicht wissen, aber ich hätte schwören mögen, dass er mit sich zufrieden war.
Whitney strich sich die Kleidung glatt, verdrehte die Augen gen Himmel, stand auf und ging ins Esszimmer.
» Es gibt Essen.« Sie stellte Teller auf den Tisch. » Ich habe Seewolfsandwichs mitgebracht, nach Cajun-Art. Mit Schwarzaugenbohnen.«
Eins muss man Whitney ja lassen: Sie kennt sich mit Essen aus. Wenn ich mit solchen Köstlichkeiten bestochen wurde, konnte ich ihre Anwesenheit meistens tolerieren.
Ich hatte mein Sandwich fast aufgegessen, als sie erneut alles verdarb.
» Ich habe heute mit dem Komitee gesprochen.« Anmutig wischte sie sich glänzenden roten Lippenstift von den Zähnen. » Es ist nicht mehr so leicht möglich, dass man dich in den nächsten Jahrgang zurückstuft. Die Einladungen sind bereits gedruckt und die Zeitung hat schon eine offizielle Liste bekommen. Du wirst also schon in diesem Jahr dein Debüt haben.«
Ich ließ den Kopf sinken. » Was? Ich bin doch erst vierzehn! Dann bin ich mit fast zwei Jahren Abstand die jüngste Debütantin!«
Obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte, als genau darum herumzukommen, wurde ich gedrängt, an der großartigen Tradition des Südens, dem Debütantenball, teilzunehmen. Das war Whitneys Projekt, allerdings wurde sie dabei von Kit unterstützt. Irgendein Unsinn über die Notwendigkeit, » dem Benehmen einen Schliff zu geben«, und über etwas mehr » Mädchenzeit«. Was konnte denn ich dafür, dass es auf Morris Island keine anderen Teenager mit XX -Chromosomenpaar gab?
Während der letzten sechs Monate hatte ich etliche Cotillion-Tanzstunden absolviert und nicht nur viele Figuren dieses ultraaltmodischen Tanzes gelernt, sondern auch wichtige Fähigkeiten des gesellschaftlichen Umgangs erworben, zum Beispiel gerade zu stehen, sein Besteck richtig zu benutzen und die Regeln draufzuhaben, die galten, wenn man zu einem Teekränzchen einlud. Dieses aufgesetzte Getue widerstrebte mir, aber es gab kein Entrinnen. Whitney war entschlossen, eine wohlerzogene junge Lady aus mir zu machen.
Okay, so schlimm war es auch nicht. Ich fand ein paar Freunde und fühlte mich an der elitären Bolton Prep ein wenig wohler. Es war auch ganz lustig, sich schick zu machen. Außerdem setzte sich der Verein auch für wohltätige Zwecke ein, und wir verbrachten viel Zeit damit, ehrenamtliche Arbeit für die Gemeinde zu leisten.
Aber dem Alter nach hätte ich Junior -Debütantin sein sollen und erst im folgenden Jahr debütieren sollen.
» Du bist ein bisschen früh dran, das stimmt, aber es wäre nicht so, als würdest du einen Rekord aufstellen.« In ihrem Südstaatenakzent schwang eine gekränkte Note mit. » Ich habe meine Beziehungen spielen lassen, damit du schon teilnehmen darfst. Schließlich dachten wir, dir bliebe nicht viel Zeit, weil du aus Charleston wegziehen würdest. Jetzt ist es zu spät, um die Sache rückgängig zu machen.«
Ich war gedanklich bereits einen Schritt weiter. »
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