VIRALS - Jeder Tote hütet ein Geheimnis: Band 3 (German Edition)
Wann ist der Ball?«
» Am übernächsten Freitag.« Whitney kicherte aufgeregt. » Wir haben nicht mehr viel Zeit und du musst einige wichtige Entscheidungen treffen.«
Oh-oh. » Und zwar?«
Whitney warf mir einen milden Blick zu. » Deine Marshalls und Ushers, Tory. Du musst dir deine Begleitung zum Ball aussuchen.«
Nennt es Vermeidungsverhalten. Nennt es vorsätzliche Blindheit. Nennt es doch, wie ihr wollt.
Ich darf ehrlich behaupten, dass ich bis zu diesem Moment keinen Gedanken daran verschwendet hatte.
» Was? Wer? Wie viele?«
» Eigentlich jeweils einen, aber du kannst auch mehr auswählen, wenn du möchtest. Aber mindestens einen Marshall brauchst du zum Debütantinnenball unbedingt. «
Ich bekam den Mund nicht mehr zu. Wen sollte ich bloß in dieses Unglück stürzen? Warum würde jemand auf diesen Ball gehen wollen?
Wie immer verstand mich Whitney vollkommen falsch.
» Ich weiß, es ist eine schwere Entscheidung. Also denk gut nach. Trotzdem muss ich es bald wissen, Schatz. Sonst kommen die Einladungen zu spät, und die Jungen müssen sich einen Smoking leihen, wenn sie noch keinen haben.«
Whitney erhob sich und begann, die Teller zu stapeln. Ich murmelte ein Dankeschön und zog mich nach oben in mein Zimmer zurück. Dort warf ich mich auf mein Bett und wurde diese eine bohrende Frage nicht mehr los.
Wer?
Im Gegensatz zu Whitney mit ihren Illusionen betrachtete ich die Sache nicht als erste Gelegenheit für ein Date. Ich wollte nicht einmal zum Ball gehen. Wie bei meinen Tanzkursbesuchen würde ich beim Ball die Menschenmenge meiden und versuchen, möglichst wenig peinlich aufzufallen. Mein Ziel bestand darin, diese Angelegenheit zu überleben, nicht eine Liebesbeziehung aufzubauen.
Kleines Geständnis: Ich hatte noch nie einen Anführungsstriche unten Freund Anführungsstriche oben. Versteht mich nicht falsch, ich habe nicht im Kloster gelebt oder so– einmal habe ich Sammy Branson hinter dem Dunkin’ Donuts in Westborough geküsst, obwohl Mom ihn für einen absoluten Faulpelz hielt. Aber bislang hatte ich kein ernsthaftes Date. Und schon gar nicht offiziell.
Wann denn auch? Mom und ich sind den größten Teil meiner Kindheit kreuz und quer durch Massachusetts gezogen und nie lange an einem Ort geblieben. Sie war meine einzige Konstante. Ich war dreizehn, als der Autounfall passiert ist. Mom starb, und ich wurde in den Süden verfrachtet, um bei Kit zu leben.
Mein erstes Jahr in Charleston war nicht gerade auf Romantik angelegt. An der Bolton Prep war ich vom ersten Tag an eine Außenseiterin– eine dumme Neuzugezogene mit Stipendium, die noch dazu ein Jahr jünger war. Das war nicht gerade der Bringer.
Mit meinen Klassenkameraden hatte ich nichts gemeinsam. Mein Vater gehörte keinem der sieben Countryclubs oder dem Aufsichtsrat eines Krankenhauses an. Die Aufmerksamkeit, die man mir widmete, war meistens nicht gerade von der angenehmen Sorte.
Außerhalb der Schule bestand meine Welt aus einer abgelegenen Insel, Kit und meinem Rudel. Da gab es auch keine Kandidaten. Während Hi, Shelton und ich uns so nah e standen, wie es bei Freunden nur möglich ist, würden wir bei dem Gedanken an so etwas wie » miteinander gehen« in Panik ausbrechen. Das ging ja gar nicht.
Na ja, Ben. Bei Ben war es… anders. Mir selbst konnte ich es ja eingestehen, wenn schon sonst niemandem. Er war älter, weltgewandter und sah ohne Frage gut aus. Der einzige potenzielle Schwimmer im winzigen Dating-Becken von Morris Island. Ich war sogar ein bisschen in ihn verknallt, als wir hergezogen sind.
Aber nach der Krankheit und mit unseren Fähigkeiten waren wir zu einem Rudel zusammengewachsen. Für mich stellte das Rudel gleichzeitig so etwas wie die Familie dar.
So war es besser. Sauberer. Sicherer.
» Mist.«
Ich starrte auf meine Notizen und war einer Antwort auf Whitneys Frage keinen Schritt näher gekommen.
Ich brauchte jemanden für ein Date.
Aber wen?
KAPITEL 6
Das Schließfach neben meinem knallte zu.
» Warum haben wir als Erstes ausgerechnet Analysis?« Hi fummelte an seiner Krawatte herum. » Begreifen die Lehrer denn nicht, dass man sanft in einen Schultag hineingleiten muss?«
Montagmorgen. Bolton Preparatory Academy. 7 Uhr 26.
In wenigen Minuten würde es zum ersten Mal klingeln.
Ich trug meine Schuluniform: blau karierte Krawatte mit gebügelter weißer Bluse, schwarze Kniestrümpfe und schlichte schwarze Schuhe. Ich war kein Fan der Uniform, aber wenigstens hinderte sie die
Weitere Kostenlose Bücher