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VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit

VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit

Titel: VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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entschied die Elite von Charles Town, dass die Stadt ein modernes Zollhaus brauchte. Aber das neue Gebäude sollte nicht allein den wirtschaftlichen Wohlstand, sondern auch den Optimismus zum Ausdruck bringen, dass man einer glorreichen Zukunft entgegenging. Also entschlossen sich die Stadtväter, das Haus in unmittelbarer Nähe zum Wasser an der Broad Street zu bauen, dort nämlich, wo die großen Docks und Straßen aufeinandertrafen. Der Bau dauerte zwei Jahre, und das Exchange Building sollte zu einem Wahrzeichen der amerikanischen Unabhängigkeit werden.« Er machte eine kurze Pause.
    » Aber deshalb sind wir nicht hier, oder?«, sagte er mit verschwörerischem Lächeln. Chris zeigte auf die Stufen, die an der Seite des Gebäudes hinabführten. » Wir sind hierhergekommen… um den Kerker zu sehen.«
    Sallie zündete Kerzen an und verteilte sie, dann stiegen wir im Gänsemarsch die enge Treppe hinunter, bis wir uns in einem schummrigen Kellergewölbe befanden, dessen Bögen den Raum in verschiedene düstere Abschnitte unterteilten.
    Die Frauen in den Sommerkleidern kicherten über die Witze ihrer Männer. Das Paar mit den Footballtrikots schoss Fotos mit seinen Nikons. Brincefield erkundete den Raum wie ein aufgeregtes Kind in Disneyland. Marlo und der Kleiderschrank blieben am Ende der Gruppe und sprachen kein Wort.
    Sallie sprach mit gedämpfter Stimme, während die Kerze ihr Gesicht in Flackerlicht tauchte. » Der Provost Dungeon diente während des Unabhängigkeitskriegs einem finsteren Zweck. Denn hinter der hübschen Fassade dieses Gebäudes wurde das Leben vieler Menschen zu einem Albtraum.« Sallie machte eine weitläufige Handbewegung.
    » Skrupellose Männer verwandelten dieses Kellergewölbe in ein grauenhaftes Gefängnis.« Sallie sprach so leise, dass wir nahe an sie herantreten mussten, um etwas zu verstehen. » Dunkel. Feucht. Ohne Wärme. Ohne Licht. Wer in diesen Mauern gefangen gehalten wurde, den erwartete nichts als Krankheit, Verzweiflung und Tod. Die britische Kolonialmacht hielt in diesem finsteren Loch amerikanische Patrioten gefangen.« Das flackernde Licht verzerrte Sallies Gesichtszüge. Fast wie an Halloween. » Mutige Einwohner unserer Stadt wurden in Eisen gelegt, hier hinabgestoßen und vergessen.«
    Chris’ Stimme drang hohl durch das unterirdische Dunkel. » Deserteure, Frauen, Sklaven, Söhne edler Abstammung– alle, die im Verdacht standen, die patriotischen Rebellen zu unterstützen, wurden hier zusammengepfercht und sich selbst überlassen.«
    Chris erzählte die Geschichte von Isaac Haynes, einem amerikanischen Kriegshelden, der von den Briten gefangen und gehängt worden war.
    » Doch auch nach seinem Tod gab Haynes keine Ruhe«, flüsterte er. » Immer noch spukt sein Geist durch dieses Gefängnis, auf der Suche nach feindlichen Rotröcken. Selbst der Tod konnte ihn nicht dazu bringen, die Waffen zu strecken.«
    Chris lächelte. » Bereit für die Fortsetzung?«
    Dicht aneinandergedrängt durchquerten wir das Gewölbe auf Zehenspitzen, bis wir eine zweite Treppe erreichten, die noch steiler war als die erste.
    An ihrem Ende tat sich ein weiter, dunkler Raum vor uns auf, der sehr alt zu sein schien. Feuchtkalt war es hier auf der nackten Erde. Die niedrige Decke erzeugte sofort Platzangst. Die Luft war muffig und abgestanden.
    Shelton fummelte an seinem Ohrläppchen, das Gesicht angespannt im Schein seiner Kerze. Ich legte ihm zur Beruhigung die Hand auf die Schulter; ich wusste, wie sehr er solche engen Räume hasste.
    » Wir sind noch tiefer in die Geschichte hinabgestiegen«, flüsterte Sallie, » in eine Zeit, in der das Zollhaus noch nicht existierte.«
    Mein Herz machte ein paar außerplanmäßige Schläge. Genau das hatten wir gewollt.
    » Denn das spätere Gebäude«, fuhr Sallie eindringlich fort, » wurde auf den Grundmauern einer Befestigungsanlage errichtet, die aus der Gründungszeit der Stadt stammt.« Sie machte eine rhetorische Pause. » Und schon diese Befestigungsanlage hatte einen Kerker.«
    Chris ergänzte den Namen. » Half-Moon Battery.«
    Mein Ellbogen fand His Rippen. Und umgekehrt. Wir lauschten angespannt.
    » Wir stehen hier an der Stelle, auf die sich das gesamte Verteidigungssystem von Charles Town gründet«, sagte Chris. » Half-Moon Battery wurde deshalb so genannt, weil die Anlage halbkreisförmig auf den Hafen hinausragte. Dieses Kellergewölbe wurde bei Renovierungsarbeiten im Jahr 1965 entdeckt. Hartnäckige Gerüchte, es gäbe noch

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