VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
noch aushielt. Ohne Bens Unterstützung hätte er sicher längst aufgegeben.
Irgendwann schaute ich zurück. His glühende Augen waren direkt hinter mir. Doch sahen sie aus wie erstarrt.
» Alles okay mit dir?«
Ein zitternder Daumen zeigte nach oben. » Mach einfach weiter. Und sag sofort Bescheid, wenn du ein Exit-Schild siehst. Ich hab das Gefühl, ich krieche einem Monster durch die Kehle.«
Ich schluckte und kämpfte mich weitere Meter voran. Die Haut an meinen Ellbogen war schon ganz rau.
Hi hatte recht. Anhalten machte die Sache nur schlimmer. Dann wird man von den Wänden bedrängt. Mein Gehirn erinnerte mich an das ungeheure Gewicht über unseren Köpfen.
» Siehst du irgendwas?«, schrie Shelton von hinten. » Sag mir, dass dieser Weg irgendwo hinführt. Ich hab langsam die Schnauze voll!« Ich leuchtete erneut nach vorn, doch noch immer wurde der Strahl meiner Taschenlampe von der Dunkelheit verschluckt. Selbst mit meinem Schub konnte ich nur wenige Meter weit sehen.
» Noch nicht!«, rief ich zurück. » Aber ich spüre immer noch einen Luftzug, der muss ja von irgendwo herkommen.«
» Kriech weiter!«, flehte Shelton. » Umkehren können wir sowieso nicht.«
Er hatte recht. An eine Kehrtwendung war nicht zu denken. Wenn wir in eine Sackgasse geraten waren, würden wir rückwärtskriechen müssen, um hier herauszukommen.
Mir schauderte, als ich an diese Möglichkeit dachte.
Mühsam robbte ich weiter.
Minuten wurden zu Stunden. Ohne den Schub wäre ich längst zusammengebrochen.
Fragen bedrängten mich. Führte dieser Schacht irgendwo hin? Neigte er sich nach unten? Wie tief unter der Erde waren wir eigentlich? Führte uns der Weg ins Verderben?
In diesem Moment gab meine Taschenlampe den Geist auf.
Ein Albtraum.
Mit hämmerndem Herzen versuchte ich, schneller voranzukommen. Meine verzweifelten Lungen schrien nach Sauerstoff. Der schroffe Untergrund riss mir die Haut auf. Ich spürte, dass ich an Knien und Ellbogen blutete.
Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich atmete keuchend und stoßweise.
» Tory?«, rief Hi. » Ist das deine Taschenlampe?«
Ich antwortete nicht. Wollte nicht wieder innehalten. Nur weiter, immer weiter. Irgendwann musste doch das Ende dieses bedrängenden, beängstigenden, grausamen unterirdischen Fuchsbaus erreicht sein.
Tränen ließen den Schmutz über mein Gesicht rinnen.
Ich habe mich geirrt!, schrie es in meinem Kopf. Ich habe uns in den Tod geführt!
» Wer blutet da?«, schrie Ben. » Sind alle okay?«
» Blut!?!«, kreischte Shelton. » Wo!?!«
Dann stieß meine ausgestreckte Hand gegen etwas Hartes. Eine Mauer. Mit zitternden Fingern strich ich über die Oberfläche, prüfte, ob wir uns daran vorbeischlängeln konnten.
Keine Chance. Unser Weg war versperrt.
Fast hätte ich aufgeschrien. Wir hatten das Ende des Schachts erreicht. Waren in die Falle geraten.
» Warum halten wir an?« Hi klang jetzt fast so hysterisch wie Shelton.
Nach einem Moment der Verzweiflung konnte ich wieder klar denken.
Immer noch ein Luftzug!
Meine Hände tasteten zu beiden Seiten. Nichts als hartes Gestein.
Der Panik nahe, rollte ich mich auf den Rücken und streckte die Hände aus. Doch fühlte ich– nichts!
Ich drehte mich wieder herum, zog die Beine an und kam auf die Knie. Während ich mir eine Hand schützend über den Kopf hielt, richtete ich mich vorsichtig auf.
» Ich kann stehen!«, rief ich.
» Ehrlich!?!« Shelton, schluchzend. » Ich komme!«
» Warte!«, rief Hi. » Tory, ist da genug Platz für uns alle?«
Ich streckte meine Arme aus, trat zwei Schritte vor, zwei zurück. Die Kammer musste mindestens zwei Meter breit sein.
» Ja, hier passen wir alle rein!«
Hi robbte mit schaukelnder Taschenlampe zu mir. Ich packte ihn an den Schultern und zog ihn auf die Füße. Danach halfen wir Shelton und Ben.
Dicht aneinandergedrängt, keuchten wir im Takt. Dann ließen die Jungs ihre Taschenlampen umherwandern.
» Wow!«, rief ich aus.
Wir befanden uns in einer Höhle, die einen Durchmesser von gut sechs Metern hatte. Über unseren Köpfen, vielleicht in fünf Metern Höhe, sahen wir eine Holzbalkendecke. Geradeaus– in der Richtung, in die wir gekrabbelt waren– erblickten wir den Beginn eines Korridors.
Niemand brauchte eine Einladung. Wie entlassene Sträflinge verließen wir unser enges Loch. Fielen uns in die Arme. Klopften uns auf den Rücken. Wir hätten uns auch Zigarren angezündet. In diesem Moment erschien uns der offene Raum wie ein
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