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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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eine der kleineren Sonnen nach dem Brand noch eine Weile geschienen, denn die zahllosen Blätter, die jetzt die Krähe umwirbelten, zeigten die Herbstfarben eines Waldes, der sich zu weit von seiner Sonne entfernt hatte. Sie leuchteten rot oder golden oder hatten zarte hell- oder dunkelbraune Flecken. Wie kleine Wölkchen tanzten sie in dem Luftwirbel, den die Krähe hinter sich erzeugte. Der Laubtunnel, durch den sie schwebten, erstrahlte in satten Farben, wo das Licht der Scheinwerfer darauf fiel, und wurde wieder schwarz, sobald sie vorüber waren.
    Der Anblick war atemberaubend; aber er durfte nicht länger verweilen.
    Chaison kontrollierte sein Aussehen und bemühte sich, Selbstbewusstsein zu verströmen, als er die Brücke betrat. Die Mannschaft hob müde die Köpfe, dann sprangen alle auf und standen stramm. »Order an alle Quartiere«, sagte er, ließ sich in den Kapitänssessel sinken und schnallte sich an. »Die Exkursionsmannschaften
sollen ihre Anzüge anlegen und sich zum Ausstieg bereitmachen.« Er überlegte, ob er jemanden zu seiner Frau schicken sollte, um sie wecken zu lassen, aber ein Anflug von Boshaftigkeit hielt ihn davon ab. Sollte sie doch die Entdeckung verschlafen. Geschähe ihr recht.
    Er wartete eine Weile, während das Schiff in Bereitschaft versetzt wurde. Doch irgendwann konnte er nicht mehr widerstehen, kehrte an ein Bullauge zurück und schaute hinaus. Und so sah er als einer der Ersten, wie sie ein Waldknie umrundeten, das den riesigen Herbsttunnel fast versperrte, und wie Anetenes legendärer Schatz in Sicht kam.

18
    Das uralte Schiff schwebte im Zentrum einer zweihundert Meter großen Laubhöhle. Im flackernden Schein der Laternen, die von den rot gekleideten Sargassum-Spezialisten hin- und hergeschwenkt wurden, konnte Venera hin und wieder die Seile erkennen, in denen das alte Piratenschiff hing wie eine Fliege in einem Spinnennetz.
    »Das dauert viel zu lange«, knirschte sie. »Was machen sie denn die ganze Zeit?«
    Ihr Mann spähte durch das Bullauge und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. »Sie suchen nach Sprengfallen, Liebes. Auf meine Anweisung.«
    »Aber dann gehen wir hinüber?«
    » Ich gehe hinüber. Um die Kiste zu suchen.«
    »Wir gehen beide . Die Expedition war meine Idee. Ich habe die Kiste entdeckt. Du kannst mir den entscheidenden Moment nicht vorenthalten.«
    Er seufzte. »Hast du jemals einen Sargassum-Anzug getragen?«
    »Und du?«
    Eine der kleinen Gestalten da draußen machte seltsame Bewegungen mit der Laterne. Die anderen drängten sich um eine dunkle Öffnung in der Schiffsseite. Das Schiff war kleiner als die Krähe und ohne alle Verzierungen
und Schnörkel; aber die Linienführung erschien selbst Veneras ungeschultem Auge archaisch zu sein. »Was hat das zu bedeuten?« Sie zeigte auf den Mann.
    »Er gibt Entwarnung. Anetene hielt wohl das Sargassum selbst für eine einzige Falle.« Eine Gestalt nach der anderen verschwand in der dunklen Luke. Kleine Lichtreflexe auf dem Rumpf verrieten, dass sich im Schatten hinter der Schiffswölbung Bullaugen verbargen.
    »Die Kiste wird da sein«, sagte sie zuversichtlich. Sonst müsste sie sich eine neue Heimat suchen. In Rush könnte sie nicht bleiben, wenn erst die Falkenformation die Herrschaft übernahm.
    Venera suchte sich einzureden, es gehe ihr lediglich um die eigene Bequemlichkeit. Aber die Vorstellung, mit ihrem verbannten Ehemann an den Hof ihres Vaters zurückzukehren, ließ ihr keine Ruhe. All die gehässigen Höflinge, die grell geschminkten Damen mit den vergifteten Haarnadeln, die Männer mit den bohrenden Blicken und den allzeit bereiten Dolchen würden ihn bei lebendigem Leibe auffressen. Chaison würde zum Spielball der Übersättigten oder an den Rand Gedrängten werden, und niemand würde ihn verteidigen.
    Sollte man ihn töten, dann wäre das auch eine persönliche Demütigung für sie.
    »Wenn keine Gefahr besteht, dann können wir ja gehen«, sagte sie, aber Chaison wurde durch einen Aufruhr im Kartenraum abgelenkt. Er wandte sich ab. Venera runzelte die Stirn.
    »Es ist Gridde!« Travis winkte dem Admiral aufgeregt zu. »Er ist zusammengebrochen.«

    Chaison war mit einem Satz an der Tür. »Schlechte Luft?«
    »Ich glaube nicht. Wohl eher Erschöpfung.«
    Die gesamte Brückenmannschaft kehrte in den Kartenraum zurück. Venera folgte den Leuten. Sie war über die Störung verärgert, aber sie musste sich als Stütze ihres Gatten zeigen. Als sie eintrat, setzte sie eine besorgte

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