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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Miene auf. Im Raum war es stickig, und es stank, aber das war inzwischen auf dem ganzen Schiff so. Gridde schwebte mit schlaffen Gliedern in der Luft, weiße Haarsträhnen umgaben seinen Kopf wie ein Glorienschein.
    »Ich hab euch ans Ziel gebracht«, flüsterte der Alte, als Chaison ihn an den Schultern fasste. Sein Gesicht verzog sich zu einem schwachen Lächeln, obwohl seine Augen halb geschlossen waren. »Jetzt kann ich mich ausruhen.«
    »Slipstream verdankt Ihnen sein Leben«, sagte Chaison.
    Gridde hob den Kopf, und sein Blick richtete sich auf den Admiral. Er brachte ein leises Lachen zustande. »Verschonen Sie mich mit Gemeinplätzen, mein Junge. Sorgen Sie lieber dafür, dass die verdammten Dummköpfe in der Akademie davon erfahren. Ich habe es bewiesen.« Er rang nach Luft. »Die alten Methoden … besser als … Gelmodelle …«
    »Holt den Arzt!«, rief Chaison, aber es war schon zu spät. Griddes Körper durchlief ein Zittern, er seufzte noch einmal und regte sich nicht mehr.
    Einige Angehörige der Brückenmannschaft begannen zu weinen. Venera verschränkte ärgerlich die Arme vor der Brust, aber sie musste sich wohl oder übel gedulden.
Die Flamme des Schmerzes würde in wenigen Minuten erlöschen, und dann konnten alle wieder an die Arbeit gehen.
    Sie hatten zu viel auf sich genommen, um sich von einem weiteren Todesfall jetzt noch aufhalten zu lassen.
     
    Die eigenen Atemzüge und das Rauschen der Anzugpumpen dröhnten Venera in den Ohren. Alle paar Minuten ertönte ein lauter Klingelton, dann musste sie sich bücken und den Uhrwerksmotor aufziehen, der die Pumpen antrieb. Das Fensterchen ihres Messinghelms war so klein, dass sie kaum etwas sehen konnte. Das Öltuch des Anzugs fühlte sich fremd an und scheuerte an der Haut wie eine Gefängnismauer. Das erzeugte eine unterschwellige Unruhe, die zusammen mit der Schwerelosigkeit und der Finsternis in ihrem Kiefer einen pochenden Schmerz auslöste.
    Sie kümmerte sich nicht darum. Sie war wie berauscht von diesem wundersamen Ort. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
    Deutlich sichtbare Streifen bläulichen Lichts aus den Blendlaternen huschten von einer Seite zur anderen - die schnellen Bewegungen entlockten dem Inhalt von Anetenes Schatzkiste einen Wasserfall von Reflexen und Brechungen.
    Venera hatte schon erlebt, wie durch die Kollision von Wolken ein Wirbelsturm entstand; von vorn oder hinten sah ein solcher Zyklon aus wie ein Rohr voller Nebelschwaden. Daran erinnerte sie das Innere des Schatzschiffes - nur wurde die Spirale hier nicht von Wolken gebildet, sondern von Tausenden von Goldmünzen, Keramiken und Elfenbeinfigürchen.

    Die Netze, die einst den Schatz an den Wänden gehalten hatten, waren im Lauf der Jahrhunderte zerfallen, und so löste sich alle ein bis zwei Wochen ein Edelstein oder eine Münze von seinen Nachbarn und trieb in die Mitte des Schiffes. Dort angekommen, wurde das Objekt von der kaum wahrnehmbaren Rotation erfasst, die auf alles innerhalb Virgas wirkte. Venera wusste darüber nicht mehr, als dass Umlaufbahnen und Gezeiten eine Rolle spielten. Dieser Wirbel war über Jahrhunderte gewachsen und dabei stabil geblieben. Seine Elemente wurden - langsamer als der Minutenzeiger einer Uhr, aber unerbittlich - im Kreis bewegt. Und nun wurden die zarten Spiralmuster durch das rücksichtslose Eindringen der Schatzsucher zerstört.
    Doch noch schwebten die Smaragde, Rubine und Granaten, die in den Feuern Candesces entstanden waren, in eleganten Bögen durch die Luft. Da und dort blinkte im Schein ihrer Laterne Bernstein aus Sargassen am anderen Ende der Welt; Ketten aus Diamanten funkelten wie Bäche aus Licht. Inmitten von Wolken aus Platin- und Silberknöpfen hingen die Währungen von zwei Dutzend Nationen wie in Glas eingegossen in der Luft (die aufgeprägten Profile von Piloten und Königen waren unter Schatten begraben wie eine Geschichtsstunde). Unter den zerschlissenen Netzen waren auf dem Rumpf noch immer Malereien zu erkennen, amtliche Porträts, deren Augen wie schlafende Geister zum Leben erwachten, wenn Veneras Lichtstrahl sie traf, wurden teilweise von Himmelslandschaften überlagert. Ein Gemälde, ein einziges nur, hatte sich gelöst, und deshalb stand im Zentrum des Zyklons ein hochgewachsener,
schwarz gekleideter Mann mit schwarzen Augen und sah die Plünderer so vorwurfsvoll an wie ein gestrenger Vater. Nur der Goldrahmen, der ihn umgab, störte die Illusion. In seiner Brust klaffte ein frisches Einschussloch, das

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