Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
Stellung beziehen und kämpfen?«
    Der Bootsmann schüttelte den Kopf. »Befehl des Admirals. Die anderen sollen die Angreifer ablenken, während wir weiter nach dem Schatz suchen. Keine Sorge. Er war auf so etwas gefasst.«
    »Er spielt mit unserem Leben«, murmelte der Flieger.
    »Hier und jetzt«, gab der Bootsmann zurück, »ist Vorsicht tödlich.«
    Minutenlang schallte das Grollen und Dröhnen durch den Rumpf, aber sie ließen das Feuerwerk der Schlacht rasch hinter sich, und nach einer Weile senkte sich abermals die unerbittliche Stille von Leaf’s Choir auf das Schiff nieder - womöglich noch beklemmender als zuvor, weil sich die Krähe so gut wie nicht mehr bewegte. Navigator und Pilot drückten sich die Nase
an den Bullaugen der Brücke platt und starrten in die Finsternis, bis ihnen die Augen tränten. Gelegentlich zeigten Schläge gegen den Rumpf und das scharfe Knacken brechender Äste an, dass sie falsch gesteuert hatten. Dann erbebte das Schiff und wurde langsamer, und der Löschtrupp suchte nach gerissenen Fugen, Spalten oder Löchern, durch die das Giftgemisch von draußen eindringen konnte. Der Admiral wartete volle zwei Stunden, bis er gestattete, die Scheinwerfer der Krähe wieder anzuschalten.
    Doch da war Hayden sich längst sicher, dass sie sich verirrt hatten.
     
    Mit Griddes Hinterkopf war Chaison Fanning inzwischen vertrauter, als ihm lieb war. Sie saßen im Kartenraum, der Alte klebte mit den Augen am Periskop und hatte sich seit zehn Minuten nicht mehr bewegt; Chaison hatte schon den Verdacht, der Kartenmeister wäre eingeschlafen, und wäre seinem Beispiel nur zu gern gefolgt.
    Er musste zugeben, dass er sich hier drin verkrochen hatte. Es war ihm zu nervenaufreibend, auf der Brücke zu stehen. Immerhin hing die gesamte Mission - und womöglich die Zukunft von ganz Slipstream - von den Ereignissen des kommenden Tages ab. Oder vielmehr, nein, nicht die trostlose Lage zerrte an seinen Nerven. Er hatte mehrere Schlachten geschlagen, um hierherzukommen, und keine hatte ihn so belastet wie dieses endlose Warten. Nein, was ihn bedrückte, war die Aussicht, als Dummkopf dazustehen. Es gab höchstwahrscheinlich gar keinen Piratenschatz, das Wort selbst war ein Widerspruch in sich,
denn Piraten waren Ausgestoßene, die Ärmsten der Armen.
    Wenn sich herausstellte, dass er das Vertrauen seiner Männer missbraucht und sie auf eine sinnlose Mission quer durch die halbe Welt gehetzt hatte, würde er, Chaison, freiwillig ohne Gashelm aus der Heckluke der Krähe treten und in Leaf’s Choir seine letzte Ruhe finden. Oder er würde sich dem Zorn seiner Männer ausliefern. Welche Alternative er wählte, würde dann keine Rolle mehr spielen.
    »Da ist sie!« Gridde hatte doch nicht geschlafen. Er sagte nichts mehr, bis ihm Chaison die Hand auf die Schulter legte und fragte: »Was, Mann? Was sehen Sie?«
    »Die Stadt«, flüsterte der Greis. »Tot wie eine vergessene Legende. Hier fängt die Karte Ihrer Frau an. Von jetzt an finde ich den Weg.«
    Chaison schwebte zu einem der Bullaugen und schaute hinaus. Seit Stunden suchte die Krähe in der offenen Zentralhöhle von Leaf’s Choir nach Landmarken, aber draußen herrschte schwarze, undurchdringliche Finsternis. Einst hatten hier zwei Sonnen geschienen, doch dann war der beleuchtete Raum immer weiter geschrumpft, bis er nur noch zwanzig Kilometer umfasste. Städte, Farmen und Paläste waren durch die klare Luft geschwebt. Jetzt wurde jedes Quäntchen Licht sofort vom ewigen Rauch verschluckt.
    Ungeduldig sprang er zu einem Sprechrohr und sagte: »Ich brauche Leuchtraketen, nach allen sechs Richtungen. Luftfrei und weiß.« Dann wartete er zitternd vor Erregung am Bullauge, bis die Lichter flackernd angingen.

    Aus der Nebelwand aus Rauch und gefangener Luft schälte sich ein gespenstisches Bild: die Umrisse einer Stadt, knochenweiße Linien und Rundungen eingebettet in tief schwarze Schatten.
    Das war Carlinth, ehemals die zweitgrößte Stadt von Leaf’s Choir. Bei näherem Hinsehen erkannte Chaison, dass er eine der legendären Architekturen von Candesces Prinzipalitäten vor Augen hatte. Carlinth war aus Rädern zusammengesetzt.
    Sechs Habitaträder umgaben wie Blütenblätter ein siebtes. Die Ränder berührten sich, und dahinter im Schatten lag ein kompliziertes Gerüst, ein Zeichen, dass die Räder fest miteinander verbunden waren. Als sie sich noch drehten, hatten sie das wohl synchron getan. Man konnte von einem Rad auf den Rand des nächsten

Weitere Kostenlose Bücher