Virga 01 - Planet der Sonnen
mal den Schraubenschlüssel reichen?«
»Hallo.« Hayden blickte auf. Aubri betrat den Hangar. Sie trug eine praktische Lederkluft einschließlich Fliegerhaube und Schutzbrille. Sie schwebte auf das Bike zu und hielt sich mit einer Hand am Lenker und mit der anderen an Martors Schulter fest. »Wie geht’s?«, fragte sie den Jungen. Martor stammelte irgendeine Antwort.
»Sieh zu, dass du dir keinen Ärger einhandelst, während wir weg sind«, sagte sie. »Keine Raufereien, keine schmutzigen Geschäfte, verstanden? Wir werden uns erkundigen, wenn wir wieder nach Hause kommen.«
Martor lächelte schüchtern. »Ich werde überleben - wenn auch nur, um Sie wiederzusehen, Ms. Mahallan.«
Aubri sah ihn besorgt an, doch dann lächelte auch sie. »Es sind nur zehn Tage«, sagte sie. »So lange braucht ihr bis zur Falkenformation, vorausgesetzt, ihr könnt euch aus Gehellens Netzen befreien. Und vorausgesetzt, ihr kollidiert nicht mit irgendetwas, und vorausgesetzt, das Navigationsteam findet eure Sonne und irrt nicht bis ans Ende der Zeiten im Winter umher.« Sie grinste, als sie Martors Gesicht sah. »Keine Sorge. Wir haben alles auf die Minute genau geplant.«
»Genau das macht mir Angst«, murmelte Hayden. Es war der schwächste Teil des Plans: Um die geheime Werft genau zum vorher berechneten Zeitpunkt angreifen zu können, musste Fanning die Falkenformation pünktlich erreichen. Bei den Tücken des Reisens innerhalb Virgas - Navigationsfehler, Kollisionen, Pannen, Treibstoffknappheit und Piraten, um nur einige zu nennen - wäre es ein Wunder, wenn sie das schafften.
Verglichen damit war Haydens Beitrag zu dem Plan ganz einfach.
Du brauchst nur geradewegs in die Erste Sonne zu fliegen.
»Und was kommt danach?«, fragte Martor plötzlich. Hayden sah zu ihm hinüber; er hatte sich auf seine Arbeit konzentriert und wusste nicht, wen der Junge gefragt hatte. Als er antworten wollte, sah er, dass auch Aubri zum Sprechen ansetzte.
Er zuckte die Achseln. »So weit habe ich noch nicht vorausgedacht.« Er wich Aubris Blick aus, aber auch sie schien ihn nicht ansehen zu wollen.
Die Nachtwache war noch längst nicht vorüber, als Hayden in den Hangar zurückkehrte. Die Krähe und ihre Schwestern krochen - sehr viel vorsichtiger als auf dem Weg ins Zentrum - auf die Randbezirke von Leaf’s Choir zu. Die Lukenmannschaft hatte den Hangar verlassen, aber das Schnarchen von Besatzungsmitgliedern der Unsichtbaren Hand , die hier untergebracht waren, ließ die Wände erzittern. Hayden tastete sich vorsichtig an den Männern vorbei, die wie Schmetterlingspuppen von Wänden, Fußboden und Decke hingen. Als er sein Bike erreichte, ließ er das zusammengefaltete Frachtnetz und die schwere Seilrolle von der Schulter gleiten und parkte beides neben sich in der Luft. Dann öffnete er seinen Werkzeugkasten und entnahm ihm einen Schraubenschlüssel; nach kurzer Suche fand er in seiner Tasche einige Schellen und Schrauben. Leise, um die Männer nicht zu wecken, schraubte er die Schellen hinten über dem Nachbrenner an die Maschine.
Admiral Fanning hatte Hayden mit seiner Bitte, Venera und Aubri zu Candesce zu bringen, so kalt erwischt, dass dem jungen Mann erst eine knappe Stunde später aufgegangen war, was dieser Auftrag bedeuten konnte. Die Erleuchtung kam bei einem Gespräch mit dem neuen Bootsmann. Hayden hatte mitten im Satz den Faden verloren und mit offenem Mund so lange auf den dunklen Rumpf gestarrt, bis der Bootsmann sagte: »Was ist los? Hat Sie der Schlag getroffen?«
Er hatte irgendetwas gestammelt und sich rasch entschuldigt. Dann war er an ein Bullauge getreten und hatte in die Leere des Sargassums hinausgestarrt, während ihn ein bisher unbekanntes Hochgefühl beschlich.
Er hörte ein Flüstern und wusste nicht, ob es seine eigenen Gedanken oder Erinnerungen aus längst vergangener Zeit waren. Es klang wie die Stimme seines Vaters: »Candesce ist die Mutter aller Sonnen. Wenn Aerie eine neue Sonne bekommen soll, muss ihr Kern von dort kommen.«
Niemand hatte Hayden jemals erklärt, wie Candesce seine Schätze preisgab; aber er hatte gehört, es sei ganz einfach, sie einzusammeln. »Als würde man Äpfel pflücken«, wie es ein Techniker der Widerstandsbewegung einmal ausgedrückt hatte.
Während er nun so leise wie möglich seiner Arbeit nachging, sann er über die Ironie des Schicksals nach. Wahrscheinlich würde sogar Fanning selbst sein Vorhaben billigen. Wenn er gefasst würde, könnte er den Admiral
Weitere Kostenlose Bücher