Virga 01 - Planet der Sonnen
vollkommen erloschen. In den knorrigen Astgabeln hatten sich Wildblumen angesiedelt, und auf vielen Stämmen wuchs leuchtend grünes Gestrüpp. Aubri hatte genau auf diesem Baum wilde Himbeeren gefunden, was vielleicht erklärte, warum die Hütte gerade hier stand. Für Fische war es zu heiß, aber in der Ferne zogen ein paar Vögel vorbei.
Nach ein paar Stunden hatte Hayden sich gefragt, ob sich in der Nähe womöglich ein Bienenstock oder ein Wespennest befände, er hatte nämlich festgestellt, dass die Stille doch nicht vollkommen war. Ein tiefer Basston erfüllte die Luft, leise, aber nie verstummend. Den hatte er vergangene Nacht noch nicht gehört.
Als er das Aubri gegenüber erwähnte, zuckte sie nur die Achseln. »Das ist Candesce. Aus der Nähe muss es sich anhören, als sänge ein Gott.«
Ihr Wissen beeindruckte ihn, und das sagte er ihr auch. »Und du kannst Candesce tatsächlich beherrschen? Du könntest so mit ihr spielen, wie ich mit meinem Bike?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es wäre eher ein Ritt auf einer Rakete. Hayden, Candesce wurde geplant, bevor
es Virga gab. Wer nach diesen Plänen sucht, kann sie immer noch finden, er muss nur bereit sein, Virga zu verlassen. Ich hatte sie bei mir, als ich hierherkam.«
Dieses Gespräch hatte vor wenigen Stunden stattgefunden und in Küssen und intimeren Zärtlichkeiten geendet. Aber die Sätze hatten Hayden verfolgt, und je länger er darüber nachdachte, desto eigenartiger kamen sie ihm vor. Als sie sich nun im Schatten der Hütte niederließen, wo es kühler war, fragte er: »Wieso hattest du die Pläne für Candesce bei dir? Wusstest du bereits, dass du die Sonne besichtigen würdest?«
Sie runzelte kaum merklich die Stirn und betrachtete die Wände aus Korbgeflecht. Doch als sie sich ihm wieder zuwandte, war ihr Lächeln unbefangen.
»Ich kam mit allen Informationen über Virga hierher, die wir jemals gesammelt hatten«, sagte sie. Dann hielt sie zwei Finger hoch und rieb sie aneinander. »Sämtliche Daten fanden in einem Behälter Platz, der viel kleiner war als ein Sandkorn, warum also sollte ich nicht alles mitnehmen? Natürlich wurde der Speicher bei meiner Ankunft hier durch Candesces Strahlung zerstört. Wenn wir erst am Ziel sind, muss ich daher mit den wenigen Erinnerungen arbeiten, die mir geblieben sind. Aber sie werden ausreichen.«
Er nickte, blieb aber nachdenklich. Plötzlich packte ihn Aubri am Arm. »Schau!«
Im Eingang flatterte eines der seltsamen kleinen Chrominsekten, die manchmal zu sehen waren. Tanker, hatte Aubri sie genannt. Hayden streckte die Hand aus. »Soll ich es fangen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich könnte es jetzt nicht untersuchen, ich habe meine Instrumente nicht bei
mir.« Der kleine Tanker drehte sich um und sauste davon. Gleich darauf flitzte eine ganze Wolke aus solchen Insekten am Fenster vorbei.
»Du hattest Recht«, sagte Hayden. »Sie sind auf dem Weg zu Candesce.«
»Mit Treibstoff«, nickte sie. »Für die Farnsworth-Fusoren.«
Erschöpft von der Liebe schwebten sie gemeinsam durch die Hütte und schwiegen gemeinsam. Hayden spürte sehr deutlich, wie viel zwischen ihm und Aubri noch unausgesprochen war.
Endlich drehte er sich um und legte ihr sachte die Hand auf die Brust. »Hört er zu?«, fragte er. Er brauchte nicht zu erklären, wen er meinte.
Sie zuckte die Achseln. »Ich muss vorsichtig sein. Aber … er ist nicht engagiert. Nicht wirklich. Er ist nur eine dumme Maschine.«
Er überlegte. Dann nickte er zum Fenster hin. »War das dein Auftrag? Dir Candesce anzusehen?«
Sie schaute ihm fest in die Augen. »Nein«, sagte sie. »Im Grunde genommen … genau das Gegenteil. Wenn es irgendwo in Virga einen Ort gibt, wo ich mich von ihm befreien könnte …« Sie fasste sich an die Kehle. »Dann wäre es dort.«
Hayden schüttelte verständnislos den Kopf. »Und das kannst du mir so einfach erzählen?«
»Gewiss doch. Dem Killer geht es nur darum, ob ich jemandem meinen eigentlichen Auftrag verrate. Das ist das Einzige, worauf er achten kann.«
»Er kann nicht einmal sein eigenes Leben schützen?«
»Er ist nicht lebendig. Nicht in diesem Sinne.« Sie lächelte traurig. »Du musst es so sehen: Es gibt Dinge, die ihn auslösen, und Dinge, die es nicht tun. Das ist alles.«
»Aha …« Er überlegte. »Glaubst du, wir könnten in Candesce eine Möglichkeit finden, ihn zu zerstören?«
»Deshalb habe ich die Fannings zu dieser Aktion gedrängt. Es mag egoistisch gewesen sein.« Sie
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