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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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entfernte sich durch den Dienstboteneingang. Venera blieb noch lange, nachdem er gegangen war, mitten im Raum stehen.
    Im Umkreis der zweieinhalbtausend Kilometer entfernten Sonne ihres Vaters wäre es jetzt Nacht. Sicher schlief der Pilot von Hale unter dem schmiedeeisernen Baldachin seines schwer bewachten Betts so unruhig wie immer. Als Herrscher spürte er, dass diese Welt von Verschwörungen bestimmt wurde - seine Untertanen verschworen sich gegen ihn, die Tiere auf den Farmen verschworen sich gegen ihre Halter, und
selbst die einzelnen Atome der Luft mussten irgendeinen geheimen Plan haben. Dass jemand aus aufrichtiger Loyalität oder gar aus Liebe handelte, war für ihn unvorstellbar, und dementsprechend führte er sein Land. Auch seine drei Töchter hatte er in diesem Sinne erzogen. Venera hatte fest damit gerechnet, aus Gründen der Staatsräson an irgendeinen inzuchtgeschädigten Rüpel verheiratet zu werden, und so hatte sie mit sechzehn Jahren ihr Leben selbst in die Hand genommen und ihrem Vater eine bessere Partie abgerungen. Gleich ihr erster Erpressungsversuch war überaus erfolgreich gewesen und hatte ihr den Mann ihrer Wahl eingebracht, einen jungen Admiral aus dem mächtigen Slipstream. Natürlich spielte es eine Rolle, dass Slipstream dabei war, sich von Hale zu entfernen, und zwar so schnell, dass sie, wenn sie ihre Position hier erst gefestigt hätte, für den alten Mann keine Bedrohung mehr darstellen konnte.
    Slipstreams Hauptstadt Rush war ihr verhasst. Die Menschen waren freundlich und offen und von einer selbstverständlichen Arroganz. Intrigen waren nicht in Mode. Junge Adelige beleidigten einander direkt, indem sie sich die Federn aus dem Hut zogen oder in aller Öffentlichkeit empörende Anschuldigungen vorbrachten. Duelle wurden sofort ausgefochten, so dass keine Kränkung länger als einen Tag schwären konnte. Politik wurde auf hell erleuchteten Fluren oder in Ratssälen gemacht, und falls der Filz im Schatten dichter wucherte, so hatte sie ihn bisher nicht finden können. Sogar jetzt, im Vorfeld eines Krieges, weigerte sich der Pilot von Slipstream, seinen Geheimdienst auf irgendeine Weise zu verstärken.

    Die Situation war unerträglich, und deshalb hatte Venera es auf sich genommen, Abhilfe zu schaffen. Diese Fotos waren die erste greifbare Bestätigung für ihre eigene, bewusst gepflegte Paranoia.
    Entschlossen stopfte sie die Bilder in ihre Gürteltasche - sie ragten verdächtig weit heraus, aber wer würde schon darauf achten? - und verließ den Raum durch die Vordertür.
    Ihr Diener wartete mit Unschuldsmiene einen guten Meter vor dem Eingang. Venera unterstellte ihm prompt, er hätte durch das Schlüsselloch geschaut, und warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ich glaube nicht, dass ich Sie schon einmal in Anspruch genommen habe.«
    »Nein, gnädige Frau. Ich bin neu.«
    »Man hat Sie doch hoffentlich einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen?«
    »Ja, gnädige Frau.«
    »Nun, dann wird man die Prüfung wiederholen.« Sie stolzierte in die Admiralität zurück, und er folgte ihr schweigend.
    Im Vorzimmer ging es immer noch zu wie in einem Irrenhaus, aber jetzt kam ihr das Getue ein wenig albern vor - so viel Lärm um einen kleinen Grenzkonflikt mit Mavery, während weit draußen eine viel größere Gefahr drohte. Niemand liebte Wanderstaaten, Slipstream am allerwenigsten. Man müsste auf so etwas vorbereitet sein. Man müsste sich professioneller verhalten.
    Ein Page rempelte Venera an, und die Fotos fielen ihr aus der Tasche. Sie ohrfeigte den Jungen mit dem Handrücken, bückte sich, um sie aufzusammeln - und
stellte fest, dass ihr der Diener bereits zuvorgekommen war.
    Er streifte die beiden, die er, scheinbar zufällig, in der Hand hielt, mit einem flüchtigen Blick und stutzte. Venera kam der Verdacht, er hätte dem Pagen hinter ihrem Rücken genau zu diesem Zweck ein Bein gestellt.
    »Geben Sie das her!« Sie entriss ihm die Fotos und bemerkte dabei, dass er sich die rätselhafte Aufnahme mit dem großen mattgrauen Objekt angesehen hatte. Daraufhin entschied sie, ihn unter irgendeinem Vorwand verhaften zu lassen, sobald sie den Fanning-Besitz erreichte.
    Zitternd vor Wut drängte sie sich durch die Scharen von Kurieren und kleinen Beamten und verließ die Admiralität durch einen Seitenausgang. Von der Treppe zu den Seilbahnen, die die Habitate dieses Quartetts miteinander verbanden, schlug ihr kühle Luft entgegen. Der Zorn und die Kälte weckten die Schmerzen in ihrem

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