Virga 01 - Planet der Sonnen
Habitats. Aus der Nähe sah sie, dass die bunten Segel vielfach zerrissen und geflickt waren. Viel zu schnell stieg das Bike schon auf das nächste Habitat zu, der lange Schlitz einer Einflugöffnung erschien über ihr. Veneras Flieger brachte sie gekonnt auf einen perfekten Tangentialkurs, die gewölbte Unterseite des Habitats schien sich ihnen entgegenzustrecken und sie einzufangen. Der Flieger schaltete den Motor ab, hielt einen Haken in die Höhe und klinkte sich präzise in dem Moment in ein Kabel ein, als sie wieder zu sinken begannen. Da hingen sie nun an einem Steg, der fast genauso aussah wie der, den sie eben verlassen hatten.
Ein Lakai aus dem Palast kam angelaufen und zog sie mit der Winde von der Öffnung weg. Sie waren angekommen.
Venera stieg ab und machte ein paar unsichere Schritte rückwärts. Ihre Beine waren weich wie Pudding. Der Diener schwang sich aus dem Sattel, als wäre nichts gewesen, und strahlte sie an. »Ein braves Tier«, sagte er.
»Hm.« Sie suchte nach Worten. »Nur gut, dass wir Ihnen genügend bezahlen, damit Sie es sich leisten können.«
»Oh, ich habe nie behauptet, dass ich es mir leisten kann.«
Sie zog die Stirn in Falten und überquerte vor ihm den Steg. Hier kannte sie alle Treppen und Korridore, die zu Slipstreams strategischer Kommandozentrale führten. Admiral Fanning, ihr Ehemann, saß dort in Konferenzen fest, aber sie war sicher, dass er sie empfangen würde. Sie überlegte, wie viel sie ihm über ihr Spionagenetzwerk verraten sollte. So wenig wie möglich, nahm sie sich vor.
Am Eingang zur Zentrale drehte sie sich um und sah den Diener offen an. »Weiter kann ich Sie nicht mitnehmen. Warten Sie unten an den Docks, Sie können mich so wieder nach Hause bringen, wie Sie mich hergebracht haben.«
Er machte ein enttäuschtes Gesicht. »Jawohl, gnädige Frau.«
»Hmm. Wie heißen Sie überhaupt?«
»Griffin, gnädige Frau. Hayden Griffin.«
»Schön. Vergessen Sie nicht, was ich sagte, Griffin. Kein Wort über die Fotos, zu niemandem.« Sie drohte
ihm mit dem Finger, doch obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlug, brachte sie im Moment den nötigen Zorn nicht auf. Sie wandte sich ab und bedeutete der bewaffneten Palastgarde, die riesigen Teakholztüren zu öffnen.
Auf dem Weg zur Zentrale malte sie sich aus, wie herrlich frei sich dieser Griffin fühlen musste, wenn er alleine flog. Sie hatte einen ersten Eindruck davon bekommen, als sie hinter ihm im Sattel saß. Doch sie war so gefesselt von den Pflichten und den Verschwörungen, die ihr Leben bestimmten, dass sie eine solche Freiheit niemals haben konnte.
Hayden sah ihr nach. Er war frustriert. So dicht am Ziel! Bis auf wenige Meter war er heute herangekommen, nur um dann am Eingang zur Kommandozentrale ausgebremst zu werden. Er musterte den Gardisten, sah aber ein, dass er ihm nicht gewachsen war. Der Mann beäugte ihn ebenfalls. Hayden machte widerwillig kehrt und ging zu den Docks zurück.
Mit dem Aufheben der Fotos hätte er beinahe alles vermasselt. Er hatte Lady Fanning offensichtlich unterschätzt. Das sollte ihm nicht noch einmal passieren. Seit man ihn der Dame als Leibdiener zugewiesen hatte, war er kein einziges Mal auch nur in Fannings Nähe gekommen. Wenn sie allerdings Gefallen an ihm fände …
Es war nur eine Frage der Zeit, dachte er. Eines nicht mehr fernen Tages würde er, Hayden, Admiral Fanning Auge in Auge gegenüberstehen.
Und dann würde er ihn töten.
3
Ein Schwarm Fische war in den Luftraum innerhalb von Quartett Eins, Zylinder Zwei geraten. Verwirrt von den Lichtern der städtischen Laternen, die sich um sie drehten, und gefangen in dem Luftwirbel, den Rushs Dächer erzeugten, wurden die Tiere in immer engeren Spiralen immer weiter nach unten gerissen und rasten schließlich ungebremst zwischen den Wasserspeiern an den Dachtraufen zweier dicht beieinanderstehender Wohnhäuser hindurch. Sie wurden gegen Fensterscheiben und Simse, Fahnenstangen und Feuerleitern geschleudert, prallten ab, spritzten wie Schrotkörner durch die schmale Gasse und blieben im Todeskampf zuckend liegen.
Hayden achtete nicht auf die Bürger, die johlend aus ihren Häusern rannten, um das unerwartete Geschenk aufzusammeln. Blind für seine Umgebung schritt er durch die dunklen Gassen von Rushs Nachtmarkt, wich aber instinktiv den Gaunern und Dieben aus, die sich unter die Scharen von unbedarften Fremden mischten. Ihm war ein wenig übel, und er zuckte jedes Mal zusammen, wenn jemand laut lachte oder
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