Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder

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gehört hatte, und der Rahmen begann plötzlich von innen heraus zu leuchten. Dann öffnete er sich wie eine Tür oder ein Fenster, und Hayden erblickte das Innere von Candesce.
    Hayden hatte einmal durch das Mikroskop eines Lehrers geschaut. In Candesces Allerheiligstem, erhellt vom Schein eines magischen Nicht-Lichts, herrschte ein ganz ähnliches Gewimmel. Die Sonnen selbst glichen schillernden, stacheligen Kieselalgen. Sie waren nicht aktiv, aber ringsum öffneten sich seltsame Gebilde wie Blüten aus Metall und bewegten ihre Blütenblätter hin und her wie exaltierte Tänzer mit hundert Meter großen Händen. Darunter kamen vielfach gegliederte Maschinenknospen zum Vorschein, die in der Hitze des Tages in Wolfram-Kokons geschlafen haben mussten. Nun schossen Leuchtkörper heraus
wie Samen aus einer Kapsel - oder Bikes aus einem Hangar.
    Auch andere Dinge bewegten sich - lange, dünne Kranarme pflückten behutsam Kristallzylinder aus der Luft und steckten sie an den Enden zusammen. Im Innern der Zylinder entdeckte Hayden weitere Mechanismen.
    »Was machen sie da?«, fragte er.
    »Reparaturen«, antwortete Aubri zerstreut. »Umbauten. Seht euch nichts zu genau an, es könnte zerbrechen.«
    Hayden warf ihr einen besorgten Blick zu und bemerkte, dass auch Carrier sie misstrauisch beobachtete. Aber sie wirkte wacher und klarer als noch vor wenigen Minuten. Hayden entschied, die sonderbare Bemerkung auf sich beruhen zu lassen.
    »Da!« Aubri streckte die Hand aus. Hayden kniff die Augen zusammen und sah, wie sich zwei Katamarane von der erwachenden Maschinerie entfernten. Die Gehellesen hatten ihrer Beute nicht in die Erste Sonne folgen können und gaben jetzt die Jagd auf. Vielleicht wollten die Schiffe in gebührendem Abstand von Candesces zermürbender Hitze auf den Morgen warten. Nun, mit dieser Gefahr würden sie sich befassen, wenn es so weit war.
    Hayden wandte sich wieder Candesces sich entfaltendem Nicht-Leben zu. Er suchte nach etwas, und nach einigen Minuten hatte er es entdeckt. Eines der Sammlerschiffe von den Prinzipalitäten schob sich vorsichtig in die Zone mechanischer Aktivität. Es fuhr unter einer Flagge, die er noch nie gesehen hatte, aber das ignorierte er ebenso wie die fremdartige Form. Ihn interessierte nur, wohin es steuerte.

    »Nun?«, fragte Venera ungeduldig. »Wo sind die Schalter, Mahallan? Sollten Sie nicht allmählich an die Arbeit gehen?«
    »Still, Venera«, mahnte Aubri. »Ich habe doch bereits angefangen.«
    Hayden hatte einmal gehört, dass alle virganischen Sonnen abgelegte Bauteile von Candesce benützten. Er wusste nicht genau, was er erwartet hatte, dennoch war er überrascht, als das Schiff der Prinzipalität dicht an einen der großen durchsichtigen Zylinder heranfuhr, der gerade in die Nähe einer Sonne befördert wurde. Zwischen den Zylindern und einer der Blüten hatte sich ein komplexer Informationsaustausch vollzogen; im Kristall hatte sich eine Tür geöffnet, und Schwärme von Metalldrohnen schwirrten zwischen Zylinder und »Blüte« hin und her. Nun öffnete sich an der vielfach unterteilten Seite der Sonne eine weitere Luke, und wieder kam ein Dialog in Gang.
    In diesem Moment flogen die Hangartore des Sammlerschiffs auf und Männer in Sargassum-Anzügen - aus dieser Entfernung erinnerten sie an Sterne - schnellten sich in den Schwarm und entrangen einem Drohnenkurier sein Päckchen; Hayden hätte schwören können, dass er die Bögen und Bänder dieses Bauteils im Kern der halbfertigen Sonne seiner Eltern schon einmal gesehen hatte.
    Aber leisteten die Metalldrohnen denn keinen Widerstand? War es nicht Selbstmord, sie bestehlen zu wollen? Hayden wartete darauf, dass der ganze Schwarm kehrtmachte und die Männer angriff. Es dauerte eine Weile, doch dann geschah es: Die verbliebenen Drohnen ließen ihre Fracht fallen und wandten sich gegen
die Menschen, aber die schienen die Gefahr nicht zu erkennen.
    Flieht, so flieht doch, rief er ihnen in Gedanken zu, doch schon öffneten die stählernen Träger ihre Krallen und stürzten sich auf die Diebe.
    »Hayden, was immer du gerade tust, hör sofort damit auf«, sagte Aubri und wedelte ihm mit der Hand vor den Augen herum.
    »Wie? Ich tue doch gar nichts - siehst du das Schiff dort?« Er zeigte darauf.
    Aubri wandte sich dem Sammlerschiff zu. »Du hast also gar nichts getan?« Es klang enttäuscht. »Schluss damit!«
    Die Drohnen drehten in letzter Sekunde ab und ließen die Männer in Ruhe. »Hayden, ich sagte: Schluss