Virga 01 - Planet der Sonnen
sich davor und rief sich die Worte in Erinnerung, mit denen Aubri ihren Spiegel aktiviert hatte.
Nach mehreren Fehlversuchen leuchtete das Rechteck auf. »Puh.« Hayden konnte kaum fassen, dass er tatsächlich hier im Innern von Candesce war und etwas tat, was er niemals für möglich gehalten hätte. Er steuerte die Erste Sonne.
Candesces verwirrendes nächtliches Innenleben wurde sichtbar, und er suchte nach den Teilen, auf die es ihm ankam. Er hatte geglaubt, es sei eine Ewigkeit her, seit er in der halbfertigen Sonne gespielt hatte, während seine Mutter die Bautrupps herumkommandierte. Doch aus der Sicht eines Erwachsenen war gar nicht so viel Zeit vergangen. Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als die kostbaren Bauteile für den Innenbereich eingetroffen waren. Man hatte sie zu horrenden Kosten in aller Heimlichkeit von Candesces Prinzipalitäten nach Aerie geschafft. Die Kisten mit den exotischen Aufschriften und Stempeln waren für Hayden interessanter gewesen als ihr Inhalt, aber auch den hatte er noch vor Augen. Jetzt suchte er im Innern von Candesce nach ähnlichen Komponenten.
Nach allem, was er bisher gesehen hatte, hatte er die Kristallzylinder für eine Art von Fabriken zur Herstellung neuer Teile für die Sonnen gehalten. Doch bei näherem Hinsehen - das Display vergrößerte jeden gewünschten Punkt so stark, wie er es wollte, und
zoomte ebenso mühelos wieder zurück - wurde ihm die Logik der Ersten Sonne allmählich klarer. Die winzigen Glitzerwölkchen, die sich in die Zylinder hineinschraubten, waren die Drohnen, die Aubri Tanker genannt hatten, nur schwärmten sie hier zu Millionen umher. Sie sorgten für den Materialnachschub. Daraus schmiedeten Candesces Metallarbeiter und ihre Hilfskräfte im Innern der Zylinder und der entfalteten Metallblüten neue Dochte für die Sonnen, und reichten sie, wenn sie fertig waren, zum Einbau an andere Maschinen weiter.
Nun brauchte Hayden nur noch die Teile ausfindig zu machen, die er haben wollte, und sich dann vorzustellen, sie würden zu ihm gebracht. Lagert sie vor dem Tor, dachte er und beobachtete mit wachsender Erregung, wie seine Befehle ausgeführt wurden.
Kein Wunder, dass man niemanden hier hereinließ! Von diesem Ort aus könnte man Candesce nach Belieben zerstören, und wenn Candesce unterging, dann starb ganz Virga.
Ein beunruhigender Gedanke. Er vergällte Hayden die Freude an der Maschinenparade, die langsam durch die Luft auf das Besucherzentrum zuwanderte. Es war zu einfach - man konnte hier zu viel Macht an sich reißen. Er fragte sich, was Venera Fanning wohl tun würde, wenn diese Episode vorüber war. Oder was der Pilot von Slipstream tun würde, wenn er von den Fannings den Schlüssel zu Candesce forderte und auch bekäme.
Nachdem Hayden sich vergewissert hatte, dass die Maschinen seinen Anweisungen folgten, verließ er den kleinen Raum. Er schlüpfte über und unter den
Wänden hindurch, durchquerte mehrere Stockwerke und eilte zurück zum Eingang und zu seinem Bike.
Er sollte zur Sicherheit noch einmal kontrollieren, ob die Maschine auch flugtauglich war. Dann musste er die Sonnenbauteile, die dort lagerten, in das Frachtnetz packen und hinten am Bike befestigen. Und schließlich … musste er sich noch eine Geschichte ausdenken, die er erzählen konnte, wenn die anderen sahen, was er mitnehmen wollte.
Sie wären bestimmt nicht leicht zu überzeugen - besonders Carrier nicht. Hayden nahm sich vor, über Venera, seine Geliebte, an den Mann heranzukommen. Wenn es ihm gelänge, sie zu überzeugen, dass diese Bauteile ein gerechter Lohn für seine, Haydens, Rolle in diesem Abenteuer waren, könnte sie Carrier vielleicht im Zaum halten.
Er nahm mit einem Salto die letzte Ecke und sah den Eingang vor sich.
Die Tür stand offen.
Hayden wurde langsamer und zog zur Vorsicht sein Schwert. Hatten die Gehellesen es irgendwie geschafft, die Tür aufzubrechen? Eher unwahrscheinlich; warum jetzt, nach so vielen Jahrhunderten? Oder vielleicht - der Gedanke ließ ihn frösteln -, vielleicht konnte jetzt, nachdem sie einmal geöffnet worden war, jeder hier eindringen. Darauf war er noch gar nicht gekommen. Waren die Flieger von Gehellen bereits im Innern?
Draußen hüpfte das erste der angeforderten Pakete im Dunkeln auf und ab. Trotz seiner Ängste musste er lächeln. Er sah sich um. Das Bike stand noch genauso da wie vorher. Sonst war niemand zu sehen. Er näherte sich behutsam der Tür.
Carrier schnellte sich mit einem Satz von
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