Virga 01 - Planet der Sonnen
Meisterspion hatte alle Zweifel abgeschüttelt und jagte ihn unerbittlich, mit sparsamen Bewegungen und ausdrucksloser Miene durch den Raum.
Es machte die Sache nicht einfacher, dass der Vorraum, wo er das Bike zurückgelassen hatte, so kahl war. Es gab nur ein paar Halteschlaufen an Wänden, Decke und Fußboden sowie einige Schränke und Regale, die wenig Halt boten. Das Wichtigste bei einem Schwertkampf in Schwerelosigkeit war, niemals frei in der Luft zu hängen - und das war hier nicht so einfach zu vermeiden. Während sie einander umkreisten, war Hayden bemüht, immer mit einer Hand oder einem Fuß an einer Schlaufe oder einem Möbelstück zu bleiben. Mit einer leeren Wand im Rücken konnte man nur geradeaus springen, und der Feind wusste im Voraus, wohin man wollte. Und wenn man sich auf ihn stürzte, machte man zwar den ganzen Körper zum Projektil, aber man konnte auch nicht anhalten, bevor man irgendetwas berührte; und der Gegner würde nach Möglichkeit dafür sorgen, dass dieses Etwas seine eigene Schwertklinge war.
Carrier schien es nicht eilig zu haben. Man sah ihm keine Erregung an; er schien geradezu mechanisch ein Programm abzuspulen - zustoßen, parieren, ausweichen,
zustoßen. Das würde er so lange fortsetzen, bis Hayden tot war.
Hayden schnellte sich zur Tür, aber Carrier kam ihm zuvor. Sie trafen sich in der Mitte des Raums. Jeder schwang mit einer Hand das Schwert und versuchte gleichzeitig, mit der anderen Ärmel oder Fuß des Gegners zu fassen. So trudelten sie sekundenlang ziellos dahin, dann landete Carrier einen Treffer, seine Klinge fuhr in Haydens linken Bizeps. Hayden schrie auf vor Schmerz.
Carrier knurrte befriedigt. Hayden wollte zurückweichen, aber Carrier setzte geschickt nach, und die Klinge blieb im Fleisch seines fluchenden Gegners stecken.
Mit der anderen Hand tastete Carrier nicht ganz so elegant nach einer Wandschlaufe. Er erwischte sie - knapp - und schwang sein Schwert - und damit auch Hayden - nach außen. Hayden wusste, dass er im nächsten Moment reglos in der Luft hängen würde, außer Reichweite der Wände, und dann konnte Carrier von allen Seiten auf ihn zuspringen und ihn in aller Ruhe in Stücke hauen.
Verzweifelt ließ er sein eigenes Schwert los, packte Carriers Waffe an der Klinge und schob sie von sich . Das Metall glitt aus seiner Haut, es regnete Blut. Dann hatte ihm Carrier die Klinge entrissen und ihm dabei die Finger bis auf die Knochen aufgeschnitten. Ein Rückhandhieb folgte, Hayden warf sich zur Seite. Dabei bemerkte er, dass er nun doch gestrandet war, der nächste Handgriff war zwei Meter entfernt.
Carrier grinste höhnisch und richtete sich an der Wandschlaufe auf, in die er seinen Fuß gestellt hatte.
Hayden drehte sich und schaffte es, den Älteren ins Gesicht zu treten. Carrier fluchte und spuckte Blut, während Hayden ganz langsam quer durch den Raum getrieben wurde.
Wieder schoss Carrier an ihm vorbei und holte zu einem brutalen Hieb aus. Hayden tat, was Katcheran ihm einst eingebläut hatte: Er rollte sich in der Luft zusammen und hielt der Klinge die Füße entgegen. Das Schwert schnitt mühelos durch das zähe Leder, aber ein abgeschnittener Fuß würde ihn nicht umbringen. Und durch den Hieb wurde er näher an das Bike herangetragen.
Sein eigenes Schwert rotierte blitzend am anderen Ende des Raums. Carrier lauerte jetzt an der Innentür und plante sorgfältig seinen nächsten Sprung. Diesmal würde er stechen und nicht hauen, das wusste Hayden; er konnte dem Schwert nicht entgehen.
Er streckte die Arme nach dem Bike aus. Carrier lachte. »Selbst wenn Sie es erreichen, was machen Sie dann?«, fragte er. »Wollen Sie es nach mir werfen? Oder irgendwohin springen? An Ihr Schwert kommen Sie nicht heran, das verspreche ich Ihnen.«
Haydens Fingerspitzen streiften die Wölbung des Bike-Zylinders. Und Carrier sprang.
»Kehrtwendung!« Chaison hechtete auf die Bullaugen zu, fand keinen Halt und prallte mit dem Kinn gegen die Wand. Er presste das Gesicht gegen das Glas und starrte hinaus auf die sinnlichen Kurven der mächtigen grün angestrahlten Wolken. Er war immer noch im Vorteil, denn die Dutzende von Leuchtraketen, die aus den Wolkenbänken schwebten, erhellten nur ein
kleines Areal; er hatte darauf gebaut, dass sich am Rand des Winters viele kleinere Wolken aneinanderreihten. Die könnten seine Schiffe gefahrlos durchfliegen. Doch obwohl die sechs angeschlagenen und veralteten Slipstream-Kähne hier immer noch schneller und
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